Evangelische Kirche Offenthal wieder eröffnet Ein Hingucker in Blau und Gold

Etwa 250 Besucher wollten es sich am vergangenen Samstag nicht entgehen lassen, das sanierte Schmuckstück zu bestaunen. Foto: Jost

Dreieich (njo) – Pfarrer Marcus Losch machte es spannend: Seit August waren die Gemeindemitglieder nicht mehr in ihrer Kirche. Zur Wiedereröffnung des Offenthaler Gotteshauses gab es am vergangenen Samstag erst ein Glas Sekt im Festzelt im Kirchgarten und nachdem das Glockengeläut verklungen war, öffneten sich die dunkelbraunen, noch nach Farbe riechenden Kirchenpforten knarrend. Bürgermeister Dieter Zimmer fragte beim Anblick der voll besetzten Kirche schmunzelnd: „Ja ist denn schon Weihnachten?!“, während die Gäste schon staunend ihre Augen gen Decke und Empore schweifen ließen.

„Ein Schmuckstück“, waren sich die etwa 250 Besucher am Samstagnachmittag nach dem Blick auf die petrolblaufarbene Empore, die dunkelbraun lasierten Kirchenbänke, die edle, neue Beleuchtung und die in Weiß und Gold gefasste Orgel einig. Spannend, amüsant und verständlich erläuterten Restauratorin Katrin Elsner, Architekt Andreas Hein und Jörg Held, Meister im Vergolder-Handwerk und Geschäftsführer der Firma Steuernagel und Lampert in einer Expertenrunde, welch ein Abenteuer die Restaurierung der Kirche aus dem 15. Jahrhundert war.

Sie beantworten auch die vielen Fragen aus dem Publikum. Marcus Losch räumte ein für alle Mal mit dem Gerücht auf, dass seine Vorgänger in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten aus reiner Geschmacksfrage das Innere der Kirche in Grün angestrichen hätten. Katrin Elsner bestätigte, dass sie bei den detaillierten Proben im Holz der Empore meist grüne Farbe auf ihrem Spatel hatte.

Aber der Hartnäckigkeit von Timo Seibert, dem Denkmalschutzbeauftragten der Kirche, ist es zu verdanken, dass es noch zu einer Pigmentuntersuchung der alten Farbschichten kam. Er hatte in alten Kirchenbüchern entdeckt, dass sich ein Pfarrer vor mehreren hundert Jahren eine blaue Kirche gewünscht hatte. Und wirklich: Die Probe ergab, dass die ursprünglich blaue Farbe mit dem Bindemittel chemisch zu Grün reagiert hatte.

Bei jeder Innensanierung (1770, 1822, 1906, 1954 und 1980) wurde also nur vermeintlich richtig in Grün nachgestrichen.

Im Kanzeldeckel entdeckten die Fachleute ein Apostelkreuz, das wiederhergestellt wurde und die Goldpigmente an der Orgel, der Kanzel und der Empore, verrät der Goldmaler, sind sogar 23 ¾ Karat Echtgold. Jörg Held ließ sich in der Expertenrunde in seine handwerklichen Karten blicken: Um die besondere Holzoptik der braun gestalteten Bänke zu erreichen, hatte er mit einer speziellen Bier-Lasierung und historischen Rosshaarpinseln gearbeitet. „Nur mit diesem Pinselhaar erreichen wir die jetzt hergestellte Struktur. Wir kaufen bei Ebay sämtliche historischen Werkzeuge auf, weil wir sie für solche Arbeiten brauchen“, verrät der Handwerker schmunzelnd.

Marcus Losch ist mehr als zufrieden mit seinem „neuen, alten“ Schmuckstück. „Die Kirche hat mehr Helligkeit und Raum. Wenn ich sie betrete, habe ich den Eindruck, ich komme in eine größere Kirche.“ Er bedankte sich ausdrücklich bei den Fachleuten, die mit viel Leidenschaft und Liebe zum Detail an der Offenthaler Kirche gearbeitet haben.

Bei aller Berücksichtigung bei der Innengestaltung historisch richtig zu agieren, präsentierte Thorsten Kamper, Vorsitzender des Bauausschuss der Gemeinde, modernste, neu eingebaute Technik in dem Offenthaler Gotteshaus. Über das Bluetooth seines Smartphones präsentiert er die Steuerung der neuen Lichtanlage der Kirche. „Wir können jetzt für jeden Anlass die richtige Licht-Atmosphäre schaffen“, freut sich Marcus Losch über das richtige Licht, dass künftig in seiner Kirche scheint. Mit einem selbstgedichteten Musikstück zu „Marmor, Stein und Eisen bricht“ hatten Organist Klaus Reitz und Gitarrist Carsten Otremba ein besonderes Geschenk für Kirche und Gemeinde.

Die umfangreiche Dachsanierung des Gebäudes aus dem 15. Jahrhundert hat 2017 etwa 340.000 Euro verschlungen. Etwa 80 Prozent hat die Landeskirche getragen, 20 Prozent hat die Gemeinde finanziert. Der Wasserschaden durch das defekte Dach machte die Innensanierung dringlich.

Die Kosten hierfür betrugen 230.000 Euro, dabei war die Kostenübernahme durch die Landeskirche deutlich geringer: zwischen 50 und 65 Prozent – je nach Gewerk – übernahm sie. 94.000 Euro blieben an der Gemeinde hängen. Auch hierfür ist die Finanzierung schon sicher – aber 50.000 Euro müssen auf Basis eines Darlehens die kommenden zehn Jahre noch abbezahlt werden. Der Freundeskreis der evangelischen Kirche Offenthal hat 20.000 Euro Spenden für die Dachsanierung und 15.000 Euro für die Sanierung der Orgel akquiriert.