Nabu-Mitglieder unternehmen botanischen Spaziergang Die Vielfalt der Pflanzenwelt im Naherholungsgebiet

Eric Martiné (rechts) ist Biologe und befindet sich im Master-Studium auf dem Gebiet Naturschutz. Der botanische Spaziergang ist für die ganze Gruppe eine sehr informative Unternehmung. Foto: nj

Mühlheim (nj) – Ein Spaziergang durch das Naherholungsgebiet hat 14 NABU Mitgliedern vergangenen Sonntag die Vielfalt der Pflanzenwelt aufgezeigt. Betreut durch zwei fachlich sehr kompetente Biologen konnten nahezu alle Pflanzenarten bestimmt und viele Informationen an die Gruppe weitergegeben werden. Themen dieser Wanderung waren die Spätblüher, die Anpassung an die Trockenheit und der Bewuchs auf einer Sanddüne, die auf dem Gailenberg zu finden ist.

Normalerweise braucht ein normaler Spaziergänger rund 20 Minuten für den Weg vom Parkplatz am Grillplatz zum Gailenberg, doch nahezu alle zwei Meter gab es immer wieder interessante Blüten oder Sträucher, die die Aufmerksamkeit der Hobby-Botaniker auf sich zogen. So hat der Weg durch das Naherholungsgebiet rund drei Stunden gedauert. Doch neben klassischen Spätblühern fanden der Biologe Eric Martiné und die Lebensmittelchemikerin Waltraud Huni, die den Spaziergang vorbereitet und durchgeführt haben, auch seltene Pflanzen. Direkt hinter dem Treffpunkt blieb die Gruppe stehen. Die gemeine Wegwarte fällt als erstes Objekt zum Studieren auf. Martiné erklärt, dass die Verbreitung hauptsächlich durch Autos stattfindet und sie oft an Wegrändern gefunden wird. Oben bei den Blüten wachsen gar keine Blätter. So schützt sich die Wegwarte vor Verdunstung und passt sich so der Gluthitze an. Ein weiterer Trick ist, dass die Blüten nur bis elf Uhr offen sind. Einige neue NABU Mitglieder haben eine große Liste mit vielen Arten zum Abhaken dabei. So sollen sie schnell die Flora und Fauna des ehemaligen Steinbruchs kennenlernen. Das Wichtigste bei einer solchen Begehung ist die gesunde Diskussion über die richtige Art. Dabei unterstützen zum einen Bücher, zum anderen Apps, die die Blüte scannt und dadurch die Art bestimmen kann, oder eben durch einen Biologen, der gerade im Master Naturschutz studiert. Über die Lebensweisen vieler Pflanzen wissen die Experten auch genau Bescheid. So stecken viele Gewächse bei hohen Temperaturen in einer Zwickmühle. Soll die Fotosynthese stattfinden und die Pflanze dadurch ein Überschuss an Energie produzieren und Verdunsten oder die Poren schließen und eine Überhitzung riskieren? Lösungen gibt es in der Natur viele, so zum Beispiel das Konzept der einjährigen Blüher. Diese treiben meist im Frühjahr aus, verteilen im Laufe des Jahres ihren Samen und sterben dann ab. Ein Vorteil dabei ist, dass kein Speicher wie etwa bei Bäumen über Jahrzehnte angelegt werden muss.

Ein paar Metern weiter gab es den Hohlzahn zu begutachten. Die Lippenblüher haben charakteristisch Ausstülpungen an der Blüte und enthalten ätherische Öle. Martiné erklärt, dass zu dieser Art auch Oregano, Thymian, Basilikum und weiter Kräuter gehören. Der Waldrand, der dahinter liegt, beherbergt Sträucher mit großen Blättern, die bei der Wärme nur im Schattengebiet auftreten können, da es hier feuchter ist. Waltraud Humi betont dabei, dass der Standort die Form von Blättern und Blüten maßgeblich beeinflussen kann.

Der Waldweg führt an einem Korbblütler vorbei. Diese Art ist oft sehr schwer zu bestimmen, da sie gerne mit anderen Arten hybridisiert. „Teilweise bringt diese Pflanze Biologen zum Verzweifeln“, erklärt Martiné. Doch die Familie der Korbblütler ist die Artenreichste der Welt und vergleichbar mit den Orchideen. Das Thema Orchideen ist auf diesem Spaziergang ebenfalls nicht verschont geblieben. Rund 60 bis 80 Arten wachsen in den heimischen Gefilden und sind nicht nur den exotischen Gebieten vorbehalten. In einem Waldstück, an dem die Wanderung lang geführt hat, fand sich die Orchidee Breitblättrige Ständelwurz. Diese geht eine besondere Symbiose mit einem Pilz ein, der der Orchidee Nährstoffe liefert.

Angekommen auf dem Gailenberg erklären die Biologen, dass das Gebiet für Hessen besonders ist. Die Binnendüne, wie der Gailenberg beschrieben werden kann, beherbergt eine Vielzahl an teilweise sehr seltenen und gefährdeten Insekten- und Pflanzenarten. So hat sich zum Beispiel ein Sanddorn Gewächs an einen Wegrand gesiedelt, das normalerweise eher an Nord- und Ostsee zu finden ist. Durch die Trockenheit passen sich gerade alle Lebewesen an die neuen Begebenheiten an. Doch auf kurz oder lang werden die Arten verschwinden, die es nicht rechtzeitig geschafft haben, sich an den neuen heißen Lebensstandard anzupassen. Dennoch, so bekräftigt der Biologe, ist es schwierig eine solche Aussage spontan zu tätigen, ohne genügend Forschung zu betreiben. Nach rund dreieinhalb Stunden und einer Vielzahl an beobachteten Pflanzen und Insekten endet die Exkursion an den Streuobstwiesen des Gailenberg und eine Entdeckung trübt gegen Ende noch die Stimmung. Die Ambrosia ist von den Mitgliedern des NABU auf einer Wiese entdeckt worden. Das Gewächs löst starke Allergien aus und ist beim Bewuchs sehr aggressiv. Durch nahezu keine Feinde kann es sich ungestört verbreiten. „Das kann doch nicht sein“, entgegnet einem Mitglied. Das unscheinbar blassgrüne Gewächs muss wohl durch den Menschen in Zorn gehalten werden.