Isenburger erinnern an Grauen und Gewaltregime Gedenkrunde und Vortrag im Bertha-Pappenheim-Haus

Historikerin Martina Hartmann-Menz hielt einen Vortrag über die im KZ Ravensbrück ermordete Frankfurterin Selma Klein. Foto: col

Neu-Isenburg (col) – Mit einer Kranzniederlegung gedachten Bürgermeister Herbert Hunkel und Stadtverordnetenvorsteherin Christine Wagner den Opfern des Nationalsozialismus am Bertha- Pappenheim-Haus.

„71 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und des Gewaltregimes werden die Menschen, die das Grauen bewusst miterlebt haben, immer weniger“, sagte Herbert Hunkel in der kleinen Gedenkrunde, bei der auch Erster Stadtrat Stefan Schmitt und Landrat Oliver Quilling anwesend waren. Hunkel zitierte die Zeitzeugin Trude Simonsohn, die von der Stadt Frankfurt gerade zur Ehrenbürgerin ernannt wurde: „Ihr tragt keine Schuld, aber Verantwortung.“

Hunkel appelliert dazu, Verantwortung zu übernehmen

„Genau das müssen wir uns an Gedenktagen immer wieder klar machen. Es gilt, aus der Geschichte zu lernen. Damit es in Deutschland nie wieder eine Gewaltherrschaft geben wird“, sagte Hunkel. Der Bürgermeister appellierte dazu, Verantwortung zu übernehmen für die Gesellschaft, aber auch für die Menschen auf der Welt, denen es weniger gut geht und die heute noch in Krieg und Gewaltherrschaft leben müssen.

Kranzniederlegung und Lesung

Nach der Kranzniederlegung hatte Frauenbeauftragte Gabriele Loepthien gemeinsam mit der Marktplatzgemeinde zu einer Veranstaltung mit Martina Hartmann-Menz eingeladen. Die Historikerin und Literaturwissenschaftlerin hat das Leben von Selma Klein erforscht, nachdem ihr bei der Recherche über das Leben der 1942 im Konzentrationslager Ravensbrück ermordeten Frankfurterin einige Brüche im Lebenslauf aufgefallen waren.

Martina Hartmann-Menz referiert über Selma Klein

Klein hat einen unmittelbaren Bezug zu Neu-Isenburg, weil sei zwei Mal im Heim des Jüdischen Frauenbunds lebte, einmal 1928 und dann noch einmal 1932. Selma Klein war ein Mädchen, das aus vermutlich eher armen Verhältnissen stammte und früh die Mutter verlor. „Aber sie leistete sich auch einige Verfehlungen“, betonte Martina Hartmann-Menz. Sie war unverheiratet schwanger, verlor das Kind, litt an Geschlechtskrankheiten und wurde im Frankfurter Ostend, vermutlich unter Prostituierten, aufgegriffen. In Hadamar wurde sie wegen ihres Lebenswandels als Psychopathin behandelt und später auch zwangssterilisiert. Selma Klein wurde 1941 nach Ravensbrück deportiert.

Opfer der Nationalsozialisten 

„Da müssen wir über unsere eigene Gedenkkultur nachdenken. Jeder Mensch hat ein Recht auf Leben, egal welche Verfehlungen er sich leistete“, betonte die Historikerin, die sich mit vielen solcher Fälle von als „asozial“ abgestempelten Opfern der Nationalsozialisten beschäftigt hat. Es habe oftmals keine Entschädigungszahlungen und auch wenig Erinnerungskultur gegeben.