Stadtfotografin Kirsten Delrieux eröffnet Ausstellung Plätze, die gerne übersehen werden

Die scheidende Stadtfotografin Kirsten Delrieux vor der Aufnahme einer Immobilie, die für sie zu den „Unorten“ gehört. Bild: Mangold

Neu-Isenburg – Pittoreske Orte zu fotografieren, auf solche Ideen kommen Touristen. Dort, wo die Umgebung kalt statt schön wirkt, zückt fast niemand die Kamera. Kirsten Delrieux aber schon. Die Jury des Forums zur Förderung von Kunst und Kultur (FFK) bestimmte die in Neu-Isenburg aufgewachsene Frau im März 2023 zur Stadtfotografin. Nun eröffnete Landrat Oliver Quilling in seiner Eigenschaft als FFK-Vorsitzender im Stadtmuseum „Haus zum Löwen“ die Ausstellung „Zwischenwelt“ der scheidenden Stadtfotografin. Zu sehen sind die Ergebnisse, die 2023 bei Streifzügen durch die Stadt entstanden sind.

Im 325. Gründungsjahr von Neu-Isenburg könne es für eine Stadtfotografin wohl keinen besseren Namen geben als den typisch hugenottischen Delrieux, sagt Quilling. Kirsten Delrieux beschäftige sich mit Plätzen, „die von vielen übersehen werden“. Es lässt sich auch sagen, sie fange Areale ein, die kaum jemand gerne sehe. Die gelernte Buchbinderin und studierte Kommunikationsdesignerin spricht selbst von „Nichtorten oder Unorten, Orte der Zwischenzeit“.

Womit Delrieux vor allem solche Gegenden meint, in denen etwas Neues entsteht, ohne jedoch die Absicht zu verfolgen, „Baustellen plump zu dokumentieren“. Der 53-Jährigen geht es auch nicht darum, ein heiteres Lokalitätsraten zu entfachen. Wo der bestimmte Sandberg vor einem großen Bau im Hintergrund steht, sei letztlich egal.
 man

Fortsetzung auf Seite 2

Die Stadtfotografin erinnert sich, nicht mit dem Rad, sondern mit dem Auto unterwegs gewesen zu sein, als sie den Berg aus Kies und Sand aufnahm, vor dem sich die Spur eines Baggers zieht. Im Hintergrund steht eine typische Gewerbeimmobilie der Neuzeit, Ausdruck einer Architektur, die von außen emotional so kühl wirkt, wie es im Inneren zugehen könnte. „Wegen des Lichts gefiel mir die Perspektive“, berichtet Delrieux. Der Boden liegt im Schatten, der Hügel in der Abendsonne. Darüber stehen die Baumkronen von Fichten.

Die stellvertretende FFK-Vorsitzende Kati Conrad bildet zusammen mit Marco Thoms die feste Jury für die jährliche Vergabe des Titels. Gastjuror war Dr. Frank Freytag, der wegen einer Corona-Erkrankung die Vernissage nicht besuchen konnte. Conrad verteilt Geschenke, nicht nur an Kirsten Delrieux. Für die musikalische Gestaltung bekommen der Pianist und Musikschulleiter Thomas-Peter Horas und der Schlagzeuger Günter Bozen ebenso eine Süßigkeit wie Marco Thoms. Er und Conrad erklären, oft stehe die Entscheidung auf Messers Schneide und hänge von allen möglichen Faktoren ab. So passe eventuell das vorgeschlagene Thema weniger als ein anderes. Früher habe man manche Bewerber gebeten, im nächsten Jahr wiederzukommen. Den meisten habe dafür aber die Motivation gefehlt, „mittlerweile bieten wir dann an, die Bewerbung im Topf zu lassen“. Und ja, im zweiten Anlauf habe schon mal jemand den Zuschlag schließlich doch noch bekommen.

Kirsten Delrieux erklärt, die Porträtfotografie sei ihre Sache nicht. Wenn überhaupt, dann nehme sie Menschen nur in ungestellten Augenblicken auf. Stattdessen fotografiert sie lieber Motive wie das Viertel, das im Süden der Stadt entsteht und den Namen „Neue Welt“ trägt. Die Stadtfotografin nahm ein Straßenkreuz auf, an dem noch keine Häuser stehen. Stadtplanerisch bildete sich Neu-Isenburg ab 1699 um ein Hugenottenkreuz, dem heutigen Alten Ort. Das, was sich später außerhalb des Kernviertels entwickelte, nannten die Isenburger „Neue Welt“. So passt der Titel „Zwischenwelt“ perfekt.