Syrer und Afghanen berichten von Heimat und Flucht Von den Taliban verfolgt, von Soldaten verprügelt

Die Flüchtlingsbeauftragte von St. Josef, Antonia von Alten (Mitte), hatte (von links) Alirezah, Essa, Manar und Fadi gebeten, von ihrem Leben in der Heimat und ihrer Flucht nach Deutschland zu berichten. Foto: Postl

Neu-Isenburg (lfp) – Um aus erster Hand zu erfahren, warum Menschen ihre Heimat verlassen und den gefährlichen Weg der Flucht auf sich nehmen, hatte Antonia von Alten, Flüchtlingsbeauftragte des Pfarrgemeinderates von St. Josef, zu einer Gesprächsrunde in das katholische Gemeindezentrum St. Josef eingeladen. Geflüchtete Menschen berichteten vor 25 Gästen von ihrer Heimat, vom Verlassen einer gewohnten Umgebung, von Freunden und Familien.

Fadi floh zunächst alleine aus Syrien. Als er in Neu-Isenburg eine „feste Bleibe“ zugewiesen bekommen hatte, ließ er seine Frau Manar nachkommen. Er reiste nach Griechenland, um sie unter Freudentränen in seine Arme zu schließen.

Ein weiteres Schicksal schilderte Alireza aus Afghanistan, der mit seiner Frau Zahra und Tochter Anna jetzt in einer Notfallwohnung der katholischen Pfarrgemeinde St. Josef eine erste Zuflucht gefunden hat. Einer der geflüchteten Männer wird in seinem Heimatland vom Militär gesucht, weshalb die Familiennamen nicht öffentlich gemacht werden sollen.

Vor dem Krieg war alles gut

Vor dem Krieg sei alles sehr gut gewesen, berichtete Fadi. Mit dem Krieg sei alles sehr schlecht geworden. Seine Familie, alle Christen, war im Dorf beliebt, er hatte studiert, hatte Arbeit, ein Auto. Sein Vater besaß einen kleinen Laden in der Militärbasis. „Als der Krieg begann, waren wir plötzlich Schweine“, erzählte der 32-jährige. So stand es zumindest an der Wand des Ladens seines Vaters. Freunde und Nachbaren wandten sich von den Christen ab, er entschied sich zur Flucht.

Mehrmals, so seine Schilderung, versuchte Fadi, die Grenze zur Türkei zu überwinden, wurde jedoch vom türkischen Militär aufgegriffen. Die Soldaten schlugen ihn, nahmen im sein Geld ab. Einmal gelang es dann doch. Mit viel Geld in der Tasche machte er sich auf die Reise nach Izmir, von dort dann – nach weiterer Zahlung einer entsprechenden Summe – mit dem Boot nach Griechenland. Über Mazedonien führte ihn der Weg nach Ungarn, von dort über Wien schließlich nach Deutschland. Seinen Helfern ist er dankbar. Heute hilft er bei der Tafel, um sich in die Gesellschaft einzubringen.

Über die Balkanroute ins Isenburger Erstaufnahmelager

Alirezah stammt aus Afghanistan. Als die Taliban kamen, sei alles anders geworden, sagte der Afghane, der Management studiert hat und in den Iran floh. „Im Iran können wir leben, aber ohne Rechte“, schildert er die zwiespältige Situation. Mit Zahra, einer jungen Frau, die er im Iran kennen gelernt hatte, machte er sich deshalb auf den Weg gen Europa.

Die erste große Enttäuschung erlebten Alirezah und Zahra in der Türkei. „Dort war alles viel schlimmer als gedacht“, sagte er. Schließlich trafen beide einen Mann, der ihnen eine Platz auf einem Boot beschaffte. Über die Balkanroute kamen sie nach Gießen und von dort in das Erstaufnahmelager nach Neu-Isenburg.

Befragung ruft schlimme Erlebnisse ins Gedächtnis

„Wir haben alle uns zugewiesenen Flüchtlinge vorbildlich untergebracht, dennoch gibt es Situationen, in denen mehrere Menschen, die sich vorher fremd waren, in beengten Verhältnissen leben müssen“, berichtete Cornelia Mateos vom Fachbereich Soziales der Stadt.

Die Befragung der Geflüchteten sei zudem sehr persönlich, rufe die Erlebnisse der Flucht wieder ins Gedächtnis, ergänzt Michael Kaul von der Flüchtlingshilfe. „Große Problem gibt es bei den Zeugnisprüfungen, denn wie sollen Menschen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, anspruchsvolle Textaufgaben lösen können?“ Von einem solchen Zeugnis (Hauptschulabschluss) hängt jedoch auch die Möglichkeit einer Berufsausbildung ab.