Neues Heft über OFC-Gastspieler im Zweiten Weltkrieg ist erschienen Sogar ein Vizeweltmeister dabei

Typisches Zeitbild der 1940er Jahre: Mannschaft des OFC mit Gastspielern Abbildung aus dem besprochenen Heft/Repro: Terharn

Offenbach – Das wird Kickersfans wie Lokalhistoriker begeistern! Heft 65 der Reihe „Alt-Offenbach“ widmet sich ausschließlich dem örtlichen Kultverein.

Für die neue Folge seiner „Blätter“ hat der Offenbacher Geschichtsverein einen denkbar kompetenten Verfasser gewonnen: Harald Spörl, als OFC-Anhänger ausgewiesen durch sein ehrenamtliches Engagement im Kickers-Fan-Museum, als Kenner durch seine Vorträge im Haus der Stadtgeschichte.

In der aktuellen Publikation beleuchtet der Fußballhistoriker ein wenig bekanntes Kapitel der Vereinschronik. Sein Thema sind „Die Gastspieler des OFC Kickers im Zweiten Weltkrieg“. Hintergrund ist eine Neuregelung des Spielbetriebs, die NS-Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten im September 1939, kurz nach Kriegsbeginn, verfügt hatte: „Militärisch Dienstleistende haben das Recht, als Gastspieler in örtlichen Vereinen zu spielen. Sie bleiben Mitglied in ihrem Heimatverein und sind nach kurzer Sperrfrist für diesen auch wieder spielberechtigt, wenn sie Urlaub haben oder aus wichtigen Gründen für die Heimreise freigestellt sind.“ Dies galt auch für Aktive, die wegen des Arbeitsdienstes oder anderer kriegsbedingter Umstände von ihrem Heimatort versetzt worden waren.

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Folge war ein reichsweiter Wanderzirkus, der aufgrund der chaotischen Quellenlage nicht lückenlos nachvollziehbar ist. Dennoch hat Spörl sich viel Mühe gemacht. In echter Fleißarbeit hat er sowohl den Spielbetrieb in immer neu zusammengesetzten Ligen mit stets wechselnden Regeln als auch die noch zu recherchierenden Kicker dokumentiert.

Verdienste um deren Rekrutierung erwarben sich vier Männer: Trainer Rudolf Keller, Fachmann in Fußballfragen; Präsident Christian Neubert mit weitreichenden Beziehungen zu anderen Klubs; Unternehmer Heinrich Lavis, in dessen Stahlbaufirma etliche Akteure unabkömmlich gestellt waren; und Spielausschussvorsitzender Robert Balder, der dank Verbindungen zu Frankfurter Kasernen Soldaten aufs richtige Mainufer locken konnte.

Das war bitter nötig, denn die Liste der Gefallenen wurde länger: Göbel, Dill, Wigidal, Beier, Harter, Doumont, Mathes, Brüder Staab... Wer kennt sie noch?

In der sportlichen Bilanz dieser Ära stehen fünf Gaumeisterschaften in Folge sowie Platz vier bei der Deutschen Meisterschaft 1942. Fazit des Gastspielbetriebs: Zwischen 1939 und 1944 trugen allein bei Meisterschaftsspielen mindestens 43 Gäste das rot-weiße Trikot. Alle Pokal-, Freundschafts- und Propaganda-Kicks dazugerechnet, dürfte die Zahl deutlich höher liegen; auch eine gewisse Dunkelziffer ist anzunehmen.

Die Ersten verschlug es bereits 1939 – nicht zufällig – aus der Schuhstadt Pirmasens in die Lederstadt Offenbach. Andere kamen aus großen Teilen des Reichs, später auch aus besetzten Gebieten. Da zahlreiche Vereine ihren Betrieb einstellten, schlossen sich zudem Spieler aus der Region dem OFC an.

Zu den damals großen Namen zählte Viktor Havliczek, dreifacher österreichischer Nationaltorwart. Ihm folgte Ehrenfried „Fred“ Patzl, 1934 (als Bankdrücker) Vizeweltmeister mit der Tschechoslowakei. Bis 1948 stand er mit kurzen Unterbrechungen auf dem Bieberer Berg zwischen den Pfosten. Um ihn und die spätere OFC-Legende Kurt Schreiner bildete sich nach Kriegsende, zunächst weiterhin um Gäste verstärkt, der Kern jener Truppe, die unter Trainer Paul Oswald in den 50er Jahren die erfolgreichste Phase der Vereinsgeschichte einläutete.

Das Heft ist nicht in erster Linie ein Lesegenuss. Aber es listet Personen und Geschichten auf, die es verdienen, sich an sie zu erinnern, dazu eine Fülle interessanter Details aus einem dunklen Abschnitt der OFC-Historie. Zu haben ist die Broschüre für vier Euro im örtlichen Buchhandel und im Haus der Stadtgeschichte, Herrnstraße 61.

VON MARKUS TERHARN