Film „Rückkehr nach Israel“ mit anschließendem Gespräch im Mousonturm Wenn Krieg die Heimat zerreißt

Sprechen über den Film (von links): Meron Mendel, Moderatorin Marie-Sophie Adeoso, Journalistin Jenifer Girke. Bild: Jeannette Faure

Ostend (jf) – Viele Interessierte waren auf die zu einem Minikino umgestaltete Empore im Restaurant des Mousonturms gekommen. Intendantin Anna Wagner begrüßte die rund 50 Gäste zur Frankfurter Premiere des Dokumentarfilms „Rückkehr nach Israel. Wenn der Krieg die Heimat zerreißt“ von Jenifer Girke und Kameramann Alexander Alfes. Sie begleiteten den aus Israel stammenden und seit 20 Jahren in Frankfurt lebenden Meron Mendel, der seit 2010 die Bildungsstätte Anne Frank leitet. Mendel begab sich im November auf eine achttägige Reise nach Israel zu seiner Familie und zu Freunden.

„Der Überfall der Hamas am 7. Oktober zerreißt auch das Künstlerkollektiv des Mousonturms“, sagte Anna Wagner. Was 3000 Meter entfernt passiert, ist uns längst näher gekommen. Mendels Ankunft auf dem Flughafen in Tel Aviv wird gezeigt, noch im Parkhaus werden die Reisenden von Raketenalarm überrascht. Wo soll man hin, der nächste Bunker ist weit weg. Sie bleiben in der Garage, fahren dann mit dem Auto los – haben eine Panne. Ein Beduine hilft, ein Israeli kommt hinzu, er hilft ebenfalls. Gemeinsam bekommen sie den Wagen wieder flott.

Mendel kommt zu seinen Eltern. Sein Bruder ist in der Armee. Die Familie lebt im Kibbuz Masch’abbe Sade in der Negev-Wüste mit gemeinsamem Eigentum und basisdemokratischen Strukturen. Mendel erfährt von Freunden, von getöteten Nachbarn, von Geiselnahme und Unmenschlichkeit der Hamas. „Aber bei all dem darf man doch das Mitgefühl nicht verlieren“, sagt eine Frau. „Manchmal bin ich es, manchmal bist es du, der den Trost so sehr braucht,“ heißt es in einem Lied. Bei Freunden: Die Eltern haben ihre beiden erwachsenen Kinder verloren, die ein paar Tage nach ihrem 50. Geburtstag ermordet wurden. Unter dem Körper der toten Mutter überlebte der 16-jährige Sohn, der zehn Stunden auf Hilfe wartete.

Es wird viel geweint in diesem Film, es wird auch viel miteinander gesprochen. Für Hass ist kein Platz. „Wir sollten uns an Worten wie Menschlichkeit orientieren“, sagt der israelische Palästinenser Mohammad, ein Mentor und Freund Mendels. „Der politische Wille für Frieden fehlt“, stellen beide im Gespräch fest. Und: „Einfache Lösungen gibt es nicht.“

In der Nähe von Be’er Sheva gibt es seit 15 Jahren eine israelisch-palästinensische Schule, an der 300 Kinder gemeinsam lernen. Es ist die einzige ihrer Art in Israel. Die Leiterin Avital Benshalom zeigt Mendel eine Ecke, in der die Schüler gemeinsam trauern können. Ein von Kindern gemaltes Bild zeigt eine Friedenstaube mit einer israelischen und einer palästinensischen Fahne unter den Flügeln.

Nach dem Überfall der Hamas dachte Mendel: „Ich muss dahin.“ Aber die Stimme der Vernunft hielt ihn noch sechs Wochen zurück. Er erlebte in seiner Heimat unglaublichen Schmerz, aber auch den Willen, sich dem nicht zu überlassen. „Der Zusammenhalt der Bevölkerung nach dem 7. Oktober ist keine Zustimmung zur Politik Netanyahus“, unterstrich Mendel.

Der Film spiegelt nur einen Ausschnitt der gespaltenen israelischen Gesellschaft wieder und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. „Schmerz kann in unterschiedliche Richtungen kanalisiert werden. Einzelne Menschen können Frieden schließen, für die Gesellschaft ist das schwieriger. Sie muss entsprechende Strukturen schaffen. Es muss Anstrengungen von oben und von unten geben“, bemerkte Mendel im anschließenden Gespräch.