Hochschultag diskutiert über Kriege und Chancen, sie zu beenden Frieden stiften wird komplizierter

Der Hochschultag will Wissenschaft, Schule und Hochschule miteinander ins Gespräch bringen. Was auch rege genutzt wurde. Bild: Eyssen

Rödermark – „ Rückkehr des Krieges? Möglichkeiten und Grenzen für Frieden aus globaler Perspektive“, war der 27. Hochschultag von Nell-Breuning-Schule und Stadt mit dem Friedensforscher Prof. Stefan Peters überschrieben. Der erste Teil des Titels sei genau genommen falsch, sagte Schulleiterin Christine Döbert bei ihrer Begrüßung in der Kulturhalle. „Kriege sind da und waren immer da“, stellte Döbert, nachdem die Europasonggruppe den Besuchern mit ihrem Auftritt „beschwingt Mut gemacht“ hatte, traurig fest.

Die bewaffneten Konflikte seien bis vor Kurzem allerdings weniger präsent gewesen, weil sie in der Regel weit weg waren und die Menschen in Deutschland und Europa weniger betroffen hätten. Dies wurde mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine ein Stück weit anders, in der Nell-Breuning-Schule werden mittlerweile auch viele ukrainische Kinder unterrichtet. Wie auch Bürgermeister Jörg Rotter und Stefanie Heinsohn, die Koordinatorin des Hochschultages, erhoffte sich Christine Döbert durch den Vortrag von Stefan Peters Lösungsansätze und Denkanstöße. „Es gibt derzeit einige Gründe, sich zu ängstigen. Wir haben Fragen“, sagte Rotter auch mit Blick auf die Ereignisse in Israel und dem Gazastreifen.

Mit der Forderung „Wir müssen den Frieden im Plural denken“ ging Stefan Peters zunächst auf die Krise des sogenannten „Liberalen Modells“ ein. Nach dem Ende des Kalten Krieges habe der Westen ein Ende der Systemkonkurrenz angenommen. „Wir haben jetzt einen gewissen Konsens: Liberale Werte, repräsentative Demokratie, Marktwirtschaft haben sich durchgesetzt“, beschrieb Peters, der Professor für Friedensforschung an der Justus-Liebig-Universität Gießen und Direktor des Deutsch-Kolumbianischen Friedensinstituts in Bogotá ist, die damals vorherrschende Meinung.

Man sei davon ausgegangen, dass man mit „mehr Demokratie, mehr Marktwirtschaft, mehr liberalem Freiheitswillen“ ein allgemein gültiges Rezept habe, um Konflikte zu lösen. Dieses liberale Prinzip scheine aber nicht von der ganzen Welt geteilt zu werden. Neben der Krise des Liberalismus gebe es auch eine Krise des Universalismus („Wie im Westen so auf Erden“). „Wir sind immer davon ausgegangen, alle würden sich in unsere Richtung wandeln. Stimmt das? Ganz sicher nicht immer“, meinte Stefan Peters. „Wenn das Rezeptbuch nicht funktioniert, dann müssen wir die Kontexte stärker berücksichtigen. Das bedeutet, auch Frieden zu verkomplizieren.“ Man habe eben nicht das eine Konzept – im Gegenteil: „Wir brauchen eine friedenspolitische Neuausrichtung.“

Hoffnung mache das Beispiel Kolumbien, sagte Stefan Peters. Den seit über 50 Jahren bestehenden, bewaffneten Konflikt mit unzähligen Opfern, an dem Guerillagruppen, Paramilitärs, Drogenbanden und der Staat beteiligt waren, kann Peters als Direktor des Deutsch-Kolumbianischen Friedensinstituts besonders gut beurteilen. In der deutschen Bevölkerung blieb das massenhafte Töten und Sterben weitgehend unbeachtet.

Den Kolumbianern sei gelungen, für den blutigen und langwierigen Konflikt durch Verhandlungen und Diplomatie einen „fragilen Friedensprozess mit einer ganzen Reihe von Schwierigkeiten“ einzuleiten. In den von der internationalen Gemeinschaft breit unterstützten Friedensgesprächen habe die Opferorientierung im Vordergrund gestanden. Es seien in Kolumbien sicher nicht alle Probleme gelöst, stellte Peters („Ich bin als Friedensforscher Berufsoptimist“) fest. Dennoch könne der seit 2016 laufende Friedensprozess ein Hoffnungsschimmer und Inspiration für eine neue Friedenspolitik sein.

In der Diskussion äußerte ein Besucher heftige Kritik am militärischen Vorgehen Israels als Reaktion auf den Angriff der Terrororganisation Hamas vom 7. Oktober. Peters stimmte mit dem Fragesteller nur darin überein, dass das, was man im Gazastreifen sehe, eine „humanitäre Katastrophe“ ist. In dem Diskussionsbeitrag vermisste Peters allerdings den deutlichen Hinweis darauf, dass der israelische Einmarsch die Folge des Massakers der Hamas an Zivilisten und Militärs ist. „Israel hat eindeutig das Recht auf Selbstverteidigung“, sagte Peters.

Weitere Fragen thematisierten den Friedensprozess in Kolumbien und den russischen Angriffskrieg in der Ukraine.

Von Sascha Eyssen