Lustig, interessant und selbstironisch beschreibt Mark-Stefan Tietze sein neues Leben als Veganer „Tofu ist, wenn man trotzdem lacht“

Mark-Stefan Tietze mit seinem Buch „Allein unter Veganern“ im Buchladen Ypsilon. Foto: Faure

Bornheim (jf) – Nickelbrille, helle Wuschelhaare, den leuchtend orangefarbenen Schal um den Hals – so betritt Mark-Stefan Tietze fröhlich das Café mit dem angrenzenden Buchladen. Ein kurzer Blick in die Karte, die auch Bio- und vegane Angebote offeriert. Der Autor, der gerade sein erstes Solo-Werk „Allein unter Veganern“ bei Rowohlt Berlin veröffentlichte, entscheidet sich für eine Bionade. Er, der früher Fleisch, Kuchen, Schokolade, Pizza, Sahnejoghurt, Käse und knusprigen Speckstückchen im Rührei durchaus zugeneigt war, beschloss vor zwei Jahren, sich vegan zu ernähren. Ach was, vegan zu leben – denn das ist nicht nur eine Frage der Nahrungsaufnahme, sondern eine Lebenseinstellung. „Letztes Jahr hatte ich eine persönliche Krise, gefolgt von einer beruflichen, und vor drei Monaten hat mich meine Freundin verlassen … Während ich mich an das Singleleben zu gewöhnen versuche, sieht es in meiner Wohnung aus wie in einer Doku-Soap bei Privatsendern. Überall steht das Leergut im Weg, im Wohnzimmer läuft der Fernseher im Dauerbetrieb, in der Küche türmt sich das Geschirr … Die Gelegenheit ist günstig: So eine Krise kriege ich so schnell nicht wieder! Veränderung muss her. Eine Veränderung, die mich schlanker, fitter, gesünder und glücklicher zu machen verspricht“, schreibt Tietze. So begann der Titanic-Redakteur (bis November 2015) ein neues Leben. Und das war nicht einfach. Ein straffes Korsett aus Selbstdisziplin und moralischer Aufbauleistung war notwendig – schreckte ihn jedoch nicht ab. Er will nicht von Dingen reden, die er vermisst: „Was man bekam, war mehr wert als das, was man aufgab“, sagt er salomonisch. Schnell lernte Tietze: Wenn man selbst Dinge zubereitet, spart man Geld. „Pflanzliche Grundstoffe sind billig“, erklärt er, steht als Veganer öfter am Herd als vorher, probiert Rezepte aus, wandelt sie ab. Das macht ihm Spaß.

Inzwischen wird man als Veganer nicht mehr belächelt, über eine Million Menschen in Deutschland leben vegan; Tendenz steigend. Dennoch lassen sich nicht alle mitreißen: „Vielleicht haben die hart Arbeitenden zu lange um ihr Stück Fleisch im Topf gekämpft, als dass sie es wieder hergeben würden“, sinnt Tietze nach. Er weiß auch: disziplinierte Menschen schaffen den Umstieg leichter. „Ich bin nie nachts am Dönerladen ausgerutscht“, fügt er schmunzelnd an.

Seit 2009 lebt der Satiriker fest in Bornheim, hat die Veränderungen im Stadtteil mitbekommen: Viele vegane Läden schossen und schießen wie Pilze aus dem Boden, gerade auf und neben der Berger Straße.

Ist das vegane Leben am Anfang nicht total kompliziert? Muss man nicht auf Vieles achten, alles Kleingedruckte mehrfach durchlesen, um keinen Fehler zu machen? Wieder lacht Tietze: „Veganismus hat im Grunde genommen einfache Regeln und ist radikal: kein Fleisch, keine Milch, kein Honig, keine Eier. Aber so etwas wie gesunder Masochismus gehört schon dazu“, gesteht er. Ja, es ist Verzicht – aber Verzicht muss ja nichts Schlimmes sein. Und lieber ist ihm das Wort Selbstbescheidung. Zum Thema Ersatzprodukte – eklatantestes Beispiel ist ein „ganzer veganer Truthahn“ für knapp 50 Euro. „Ist es nicht erkennbar pervers, ein Tier, das man in der Realität nicht leiden sehen will, möglichst originalgetreu aus Pflanzenmaterial nachbauen zu lassen, um es dann genüsslich zu verspeisen?“, fragt Tietze in seinem Buch. Aber abgesehen von diesem Ausrutscher findet der Autor Ersatzprodukte für den Einstieg gar nicht so übel. „Viele Fleischesser regen sich darüber auf. Aber vielleicht sind sie nur eifersüchtig“, bemerkt er.

Sein Lieblingsprodukt ist dreierlei Hummus, entschieden rät er ab von veganer Pizza. „Ganz furchtbar“, sagt Tietze.

„Allein unter Veganern“ ist ein witziges, nicht dozierendes und nichts beschönigendes Buch. Und ein Ratgeber mit Hintergründen, Zusammenhängen, Produktnamen und Preisen.

Was der Autor damit will, formuliert er auf den letzten Seiten: Wer ein schlechtes Gewissen beim Fleischessen bekommt, sollte weniger davon oder gar kein Fleisch mehr essen. Etwas im Leben anders zu machen, „reinigt die Seele und entschlackt den Gedankenapparat“.

Mark-Stefan Tietze hat es offensichtlich geschafft: Er fühlt sich vegan wohl – und hat über sieben Kilo in 100 Tagen abgenommen.