Für ein starkes Europa Zentrum für Europa-Studien in Frankfurt

Thomas John startet, begleitet von Beifall – darunter von Martina Klärle, Joschka Fischer, Boris Rhein – auf der EUride nach Caen. Foto: Faure

Nordend (jf) – Vor dem Gebäude eins der Frankfurt University standen Rennräder, warteten Sportler. Sie begleiteten die Studenten Johannes Rosenberger und Thomas John ein Stück, die gleich zu ihrer ersten Wochenendtour quer durch Europa starteten. Unter dem Titel Euride werden die beiden an vier Wochenenden zu Partnerhochschulen im französischen Caen, in Warschau, Oslo und Rom unterwegs sein.

Im Foyer hatten inzwischen Gäste aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft Platz genommen. Frank Dievernich, Präsident der Frankfurt University of Applied Sciences, begrüßte das Publikum zur offiziellen Eröffnung des Centers for Applied European Studies (CAES). Eine erste Mitgliederversammlung von 34 Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeitern des CAES hatte am 22. April für drei Jahre das Direktorium gewählt, dem Michel Friedman als Geschäftsführender Direktor, Martina Klärle als seine Stellvertreterin, Therese Neuer-Miebach und Susanne Koch angehören. Erste Projekte wurden bereits begonnen.

„Europa wird unterschiedlich wahrgenommen. Es ist faszinierend, ernüchternd und einzigartig“, begann Dievernich. Seit 60 Jahren lebten verschiedene Staaten größtenteils friedlich miteinander. Aber in den letzten Monaten zeigte sich auch, wie fragil das Gebilde Europa ist. „Wir wollen mit dem CAES die Idee Europa durch eine interdisziplinäre Annäherung greifbar verankern“, erklärte der Präsident.

Mit guten Wünschen unterwegs

Über 13.800 Studierende aus 118 Nationen gibt es an der Frankfurt University. Europa sei gefährdet und keinesfalls krisensicher. Nationalistische und populistische Positionen hätten sich verstärkt. „Mit dem CAES wollen wir die Rolle Europas festigen, deshalb wollen wir am Zentrum eine umfassende soziale Haltung aus europäischem Blickwinkel entwickeln.“ Anschließend schickte er die Studenten Johannes Rosenberger und Thomas John mit guten Wünschen auf den Weg an die französische Nordatlantikküste.

Boris Rhein, hessischer Minister für Wissenschaft und Kunst, stellte zu Beginn seines Grußworts fest: „Europa steckt über beide Ohren in Schwierigkeiten.“ Gegenwärtig gehe es nicht um die Beseitigung, sondern um die Errichtung von Grenzen. Europa leide unter einer Krankheit, der unseligen Re-Nationalisierung. Die Hoffnung auf Frieden nach dem Mauerfall 1989 habe sich nicht erfüllt. „Gerade die Länder, die nach 1990 in die Europäische Union aufgenommen wurden, sehnen eine Ordnung herbei, die den Liberalismus als Wirtschaftsform schätzt, ihn in der Gesellschaft jedoch nicht haben möchte“, stellte der Minister fest.

 „Europa geht es sauschlecht“

Seine Festrede begann der ehemalige Außenminister Joschka Fischer mit einer ernüchternden Einschätzung: „Europa geht es sauschlecht.“ Die Illusion, dass nach dem Mauerfall alles so weiter gehe, sei geplatzt. Als 2008 die Finanzkrise ausbrach, habe eine große Unsicherheit um sich gegriffen, die bis heute anhalte. Fischer warb für einen Schuldenerlass für Griechenland. Ohne Griechenland sei die Flüchtlingssituation nicht zu bewältigen. „Wir sind zur Gemeinsamkeit verurteilt“, sagte der Ex-Außenminister.

Besonders die Westbindung Deutschlands müsse wieder bewusster werden, die Achse Deutschland-Frankreich sei ein tragendes Element. Es gehe im Kern um die Frage: Wie viel ist jeder Staat bereit, für Europa zu geben? „Europa ist keine kontinentale Insel – das wird noch auf lange Zeit Probleme bereiten. Und der Nahe Osten ist tatsächlich nah, wie wir jetzt merken.“ Der Einlass von Flüchtlingen sei nicht zu kritisieren, die Kürzung der Mittel für Flüchtlinge schon. Leicht werde all das nicht zu bewältigen sein. Außerdem plädierte er für Geduld mit Osteuropa: „Diese Länder befinden sich auf einer anderen Zeitachse.“

Idee Europa weiter entwickeln

Von überragender Bedeutung sei Vertrauen zwischen den Nationen. Eine schwierige Situation bestehe gegenwärtig in der Türkei; eine Destabilisierung der Lage in diesem Land wäre sehr gefährlich. „Entscheidend ist, ob Europa endlich handlungsfähig wird“, konstatierte Fischer. Europa sei nicht unmodern –es müsse bis zur Schaffung der Vereinigten Staaten von Europa immer wieder erkämpft werden.

Michel Friedman forderte anschließend auf: „Wir sollten uns auf die Reise machen, um die Idee Europa weiter zu entwickeln.“