Neue Literatur aus Georgien im Mittelpunkt einer Veranstaltung des Festivals „literaTurm“ Zwischen Karabach und Birnenfeld

Im Podium von links: Stefan Weidle, Aka Morchiladze, Doris Akrap, Nana Ekvtimishvili und Davit Gabunia. Foto: Faure

Ostend (jf) – Das Podium im Raum unter dem Dach des Hauses der Deutschen Ensemble Akademie in der Schwedler Straße war prominent besetzt: Nana Ekvtimishvili, Davit Gabunia und Aka Morchiladze unterhielten sich mit Stefan Weidle und Doris Akrap.

Unter dem Titel „Zwischen Karabach und Birnenfeld. Neue Literatur aus Georgien“ stellte Doris Akrap die drei Schriftsteller und ihre Werke vor.

Aino Kelle vom Kulturamt, Organisator des Festivals „literaTurm“, begrüßte die Gäste.

„Alle drei Autoren sind in ihrer Heimat Stars“, erklärte Akrap. Nana Ekvtimishvili, 1978 in Tbilisi geboren, studierte Philosophie in ihrer Heimatstadt und Dramaturgie an der Filmhochschule in Potsdam-Babelsberg. Seit 1999 veröffentlicht sie, wurde für ihre Drehbücher, die sie auch gemeinsam mit ihrem Mann Simon Groß schreibt, mehrfach ausgezeichnet. 2015 veröffentlichte sie den Roman „Das Birnenfeld“, im August wird das Buch auf Deutsch erscheinen.

Nana Ekvtimishvilis Mann betreibt in der georgischen Hauptstadt eine Eisdielen-Kette. Warum eigentlich keine Kino-Kette, es gibt ja bereits fünf über die Landesgrenzen hinaus erfolgreiche Filme?, fragte die Moderatorin. „Von Eis kann man besser leben als von Filmen und Büchern, dachten wir“, antwortete Ekvtimishvili. Sie lebt in Berlin und Tbilisi. „Berlin ist ruhig, still und entspannend – im Gegensatz zu Tbilisi. Dort bin ich immer im Stress. Aber in Berlin vermisse ich manchmal das Chaos“, sagte die Autorin lächelnd.

Ihr Roman „Das Birnenfeld“ hat einen autobiografischen Aspekt, Ekvtimishvili lebte als Kind und Jugendliche neben einem Heim für sogenannte Debile – bewusst hat sie das Schimpfwort aus Sowjetzeiten beibehalten. „Die meisten Kinder in dem Heim sind aber gar nicht debil, sondern einfach nur verlassen“, erklärt sie und liest eine Passage. Das Buch schrieb sie, um die Frage zu beantworten, wie es ihr möglich war, neben so viel Gewalt zu leben, diese Zeit nicht zu verdrängen oder zu vergessen. „Wir sahen kaum Behinderte auf den Straßen“, erinnert sie sich, ihr Kollege Davit Gabunia nickte. 1982 in Poti am Schwarzen Meer geboren, übersetzte er Shakespeare, Strindberg und Joanne K. Rowlings „Harry Potter“, schrieb eine TV-Serie und Theaterstücke. Im August wird sein erster Roman „Farben der Nacht“ auf Deutsch erscheinen. Jochen Nix las daraus das erste Kapitel. Im Buch geht es um Sura, einen Hausmann, der seine Arbeit verloren hat, um seine Frau Tina und um einen neuen Nachbarn, den Sura beobachtet. Gabunia bemerkte anschließend: „Ein Mann, der in allen Dingen unsicher ist, kann zur Gefahr werden.“

Aka Morchiladze, 1966 in Tbilisi geboren, hat viele Bücher geschrieben. Im Weidle Verlag ist „Reise nach Karabach“ herausgekommen, in Georgien erschien das Buch bereits 1992 und wurde dreimal verfilmt. Morchiladze wurde mehrfach ausgezeichnet, er scherzte: „Vor 15 Jahren war es leichter, in Georgien einen Literaturpreis zu erhalten.“ Inzwischen zähle er Bücher und Preise nicht mehr: „Das ist mir nicht so wichtig.“ Wichtig ist ihm das Schreiben, die Freude und das Glück, die er dabei empfindet, motivieren ihn. „Ich würde weiter schreiben, selbst wenn die Bücher nicht mehr veröffentlicht würden“, sagte er. Dann las Jochen Nix aus „Reise nach Karabach“. „Es ist eines meiner Lieblingsbücher“, sagte Morchiladze. Das Buch habe seine eigene Geschichte, spiele in einer Region, in der Bürgerkrieg und Chaos herrschen und waghalsige Ideen, schnell zu Reichtum zu kommen, beinahe gelingen könnten. Es sei eigentlich kein politischer Roman.

„Lesen Sie eigentlich die Bücher Ihrer Kollegen?“, fragte Doris Akrap. Ja, aber er bevorzuge nun mal das Schreiben, antwortete Morchiladze.

Wer Namen georgischer Autoren künftig liest, wird sich über zig verschiedene Schreibweisen wundern. Das muss nicht stören, denn wichtiger als korrekte und einheitliche Schreibweisen, die es ohnehin nicht zu geben scheint, ist das, was diese Schriftsteller zu sagen haben. Vielleicht schmeckt manches Buch wie Nana Ekvtimishvilis Lieblingseis nach Blaubeeren und Maulbeeren – das ist für sie ganz und gar georgisch. Die Geschichten, die alle drei an diesem Abend vorgestellt haben, schildern allerdings Probleme und Charaktere, die überall vorkommen können und uns bewegen.