Becker-Staritz-Preis geht nach Rödelheim/Hanna Steinmüller im Interview „Die Casa San Antonio macht mir Mut“

In der Casa San Antonio in Rödelheim leben Menschen aus dem EU-Ausland, die in Frankfurt Fuß fassen wollen, unter einem Dach. Bild: Zegelman/p

Rödelheim (red) – Die Casa San Antonio in Rödelheim hat den Becker-Staritz-Preis der Action 365 erhalten. Mit diesem neu ins Leben gerufenen Preis werden Menschen und Einrichtungen geehrt, die wertvolle Impulse für ein sozialpastorales oder gemeinwohlorientiertes Praktizieren des christlichen Glaubens anstoßen. Die grüne Politikerin Hanna Steinmüller ist direkt gewählte grüne Abgeordnete für Berlin-Mitte im Deutschen Bundestag, Mitglied der Preisvergabekommission – und außerdem selbst katholisch. Im Vorfeld der Preisvergabe hat sie die Casa besucht und sich ein Bild von der Arbeit dort gemacht. Im Interview mit der Katholischen Stadtkirche erzählt sie von ihren Eindrücken:

Was wussten Sie im Vorfeld Ihres Besuchs in Rödelheim über die Arbeit der Casa – und warum wurde sie als Preisträgerin ausgewählt?

Hanna Steinmüller: Ich habe die Casa San Antonio erst durch meine Arbeit in der Vergabekommission des Becker-Staritz-Preises kennengelernt. Die Auswahl der Projekte ist uns in der Jury natürlich sehr schwergefallen, weil es viele hervorragende Einreichungen gibt. Zum Schluss hat mich und auch die anderen Jurymitglieder aber das Gesamtkonzept der Casa San Antonio überzeugt: Die lebensnahe Hilfe für Menschen in schwierigen Situationen, die kreative (Um-)Nutzung bestehender Ressourcen und die erfolgreiche Zusammenarbeit verschiedener Gemeinden und Verbände in einem Projekt.

Wenige Tage vor der Preisverleihung haben Sie die Einrichtung selbst besucht. Wie haben Sie die konkrete Hilfe, die geleistet wird, erlebt und wie die Bewohner?

Steinmüller: Ich habe die Casa San Antonio als eine tolle Gemeinschaft kennengelernt. Menschen, die dort ankommen, finden für kurze Zeit ein echtes Zuhause. So haben sie die Möglichkeit, sich ganz auf die Jobsuche, Sprachkurse und Fortbildung zu konzentrieren. Die Casa San Antonio macht aber nicht nur die Wohnung aus, sondern das gesamte Umfeld: Haupt- und Ehrenamtliche aus den Gemeinden bieten große Unterstützung an und helfen dabei, an- und voranzukommen. Diese Zusammenarbeit in der Gemeinschaft garantiert den Erfolg – für das Projekt und für die Bewohner.

Die Action 365, die den Preis vergibt, entstand aus dem Gedanken heraus, dass es nicht genügt, über Probleme nur zu diskutieren, sondern dass es Handlung braucht – Action eben. Wie sehen Sie diese Haltung im Projekt Casa San Antonio verwirklicht?

Steinmüller: Es ist ja so: Wer keine Wohnung hat, findet kaum Arbeit. Andersherum ist es ohne festen Job schwer, eine Wohnung zu kriegen. In der Casa San Antonio wird dieser Teufelskreis ganz praktisch durchbrochen. Das Engagement macht mir Mut, weil es gelebte Nächstenliebe ist.

Die Casa ist ein auf Zeit angelegtes Projekt. Glauben Sie, dass es auch künftig benötigt wird und vielleicht sogar in ausgeweiteter Form nötig wäre?

Steinmüller: Gerade in den großen Städten wird es auf absehbare Zeit weiter schwierig sein, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Ich bin mir sicher, dass wir Projekte wie die Casa San Antonio weiterhin brauchen werden. Ich freue mich sehr, wenn sich in andere Städten und Gemeinden Nachahmer finden.

Die Action 365 hat zum ersten Mal den Becker-Staritz-Preis an Menschen, die durch ein innovatives Projekt oder eine Abschlussarbeit wertvolle Impulse für ein sozialpastorales oder gemeinwohlorientiertes Praktizieren des christlichen Glaubens anstoßen, verliehen. Ausgezeichnet wurden Jan-Hendrik Herbst für seine Dissertation „Die politische Dimension des Religionsunterrichts“ und das Projekt Casa San Antonio, Frankfurt, das Arbeitsmigranten das Ankommen in der Stadt ermöglicht. Nach der Preisverleihung blieb Raum für Austausch und Gespräche bei Getränken und Fingerfood.

Starthilfe-Einrichtung

Die Casa San Antonio in Rödelheim ist eine Starthilfe-Einrichtung der italienischen, der portugiesischsprachigen und der spanischsprachigen Gemeinden Frankfurt gemeinsam mit dem Gesamtverband der katholischen Kirchengemeinden. Seit 2015 können mittellose Arbeitsmigranten aus EU-Staaten im ehemaligen Pfarrhaus von Sankt Antonius Rödelheim für höchstens drei Monate unterkommen, bis sie sich eine eigene Wohnung leisten können.

Die Bewohner zahlen lediglich einen Beitrag zu den Nebenkosten, aber keine Miete. Das gute Konzept steht allerdings vor dem Aus: Die Finanzierung durch das Bistum läuft aus. Fest steht leider: Wenn keine andere Finanzierung der jährlichen Kosten von 36.000 Euro gefunden werden kann, muss die Casa San Antonio ihre Arbeit Ende 2023 einstellen.

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