„So macht man Geschichte?“ von Moritz Julius Bonn neu aufgelegt Beobachtet, beraten, berichtet

Jens Hacke (links) im Gespräch mit Peter Hoeres. Bild: Faure

Altstadt (jf) – Geboren wurde Moritz Julius Bonn am 28. Juni 1873 in der Hanauer Landstraße 45 im Frankfurter Osten. In seiner 1953 erschienenen Autobiografie „So macht man Geschichte?“ erinnert er sich an den vernachlässigten Garten hinter dem Haus, in dem die Eltern eine Wohnung gemietet hatten: „Seinen Glanzpunkt bildete ein großer [...] japanischer Birnbaum. Dieser Pyrus japonica war für mich ein Symbol des Lebens [...] Er war die Verheißung aller romantischen Hoffnungen.“

Im Institut für Stadtgeschichte erläuterte Stadthistoriker Dieter Wesp im ersten Teil der Präsentation der Neuauflage der Biografie Wohnorte und Familienzusammenhänge der Bonns. Moritz Julius Bonns Großvater Baruch Bonn hatte in den 1830er-Jahren eine Bank gegründet. „Großvater war eine Art Clan-Häuptling, um den sich die weiteren Mitglieder der Familie scharten“, schrieb Moritz Julius Bonn. Die Familie Bonn/Schuster, so zeigte Dieter Wesp in einem Stammbaum mit 23 Mitgliedern, war weit verzweigt. „Den Frankfurtern ist höchstens die Villa Bonn in der Siesmayerstraße bekannt. Moritz Julius Bonns Onkel und Bankier Wilhelm Bernhard Bonn ließ das großbürgerliche Palais 1895 bis 1897 erbauen. Bereits 1923 ging es in den Besitz der Frankfurter Gesellschaft für Handel, Industrie und Wissenschaft über“, informierte Wesp.

Außerdem besaß die Familie ein Sommerhaus in Kronberg, das seit 1922 als Rathaus dient. Der Familie Bonn ging es nicht nur um gute Geschäfte, das 1890 gegründete „Baruch- und Betty Bonn’sche Versorgungshaus“ in Kronberg stand Armen und Schwachen offen. Eine Tafel erinnert heute wieder an die Stifter.

Warum aber geriet der gut vernetzte, beschlagene und gefragte liberale Kosmopolit Moritz Julius Bonn in Vergessenheit? Und warum lohnt es sich, die Neuauflage seiner Biografie 70 Jahre nach dem ersten Erscheinen zu lesen?

Darüber diskutierten der Historiker und Politikwissenschaftler Jens Hacke, der auch das Nachwort für die Neuauflage verfasste, und der Historiker Peter Hoeres. „Moritz Julius Bonn war ein erfolgreicher Akademiker, der zeitgleich in verschiedenen Sprachen publizierte und diese auch beherrschte“, sagte Hacke.

Bonns Herkunft sicherte ihm die materielle Basis und ermöglichte ihm den Zugang zu wirtschaftlich und politisch bedeutenden Persönlichkeiten. Er wollte kein Bankier werden, sondern zog die wissenschaftliche Karriere vor. Früh lernte er andere Länder kennen, studierte an der London School of Economies, lebte drei Jahre in Irland. Er befasste sich mit Kolonialpolitik, urteilte aufgrund eigener Reisen nach Südafrika über die Ausbeutung und kritisierte sie. Stattdessen sollte den indigenen Völkern eine Perspektive zur Selbstregierung eröffnet werden. Außerordentlich weitsichtig für den Anfang des 20. Jahrhunderts.

„Bonn war Mitbegründer der DDP, fungierte als Berater und Gesandter der Reichsregierung in Reparations-, Wirtschafts- und Finanzfragen, er leitete als Gründungsdirektor seit 1910 die Münchener und in der Endphase der Weimarer Republik die Berliner Handelshochschule“, schreibt Hacke im Nachwort. 1965 starb Bonn in London, seine Urne wurde nach Kronberg überführt.

„Wenn wir das Buch heute lesen, sollten wir nicht vergessen, dass es vor mehr als 70 Jahren geschrieben wurde und diese Zeit mitdenken“, bemerkte Peter Hoeres. Es bleibt allerdings eine aufschlussreiche Autobiografie.

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