Auf Entdeckungsreise in den Frankfurter Stadtteilen Bergen-Enkheim: Natur und Literatur

Im Stadtschreiberhaus dürfen die Literaturpreisträger residieren.

Frankfurt (sh) – Nennt man einen Frankfurter Stadtteil, hat fast jeder ein bestimmtes Wahrzeichen, etwas für den Stadtteil Typisches oder auch ein Klischee vor Augen. Redakteurin Sabine Hagemann hat die Frankfurter Stadtteile besucht, sie erlaufen, auf sich wirken lassen und sich umgeschaut, was es dort neben den üblichen Sehenswürdigkeiten noch so gibt.

Mit Bergen-Enkheim bin ich recht gut vertraut, versuche das aber auszublenden und stelle mir vor, Frankfurts östlichsten Stadtteil, der erst 1977 eingemeindet wurde, zum ersten Mal zu besuchen. Doch ich weiß natürlich, dass es dort viel zu sehen gibt. Ich starte in Enkheim am Einkaufszentrum Hessen-Center an der Borsigallee, das gut mit Bussen und U-Bahnen zu erreichen ist. Auf der gegenüberliegenden Seite der Borsigallee geht es ins Gewerbegebiet.

Ich begebe mich zur belebten Triebstraße mit Einkaufs- und Einkehrmöglichkeiten und laufe Richtung Bergen. Die Straße bringt mich nach Alt-Enkheim, wo sich in der 400 Jahre alten restaurierten Enkheimer Mühle die Wohn- und Tagesstätte für Menschen mit Beeinträchtigungen der Lebenshilfe befindet. Von dort aus geht es weiter zur evangelischen Laurentiuskirche, die malerisch auf dem Berg steht – das bedeutet aber auch: Es geht steil bergauf.

Verlässt man den Friedhof an der Straße Neuer Weg, gelangt man auf der gegenüberliegenden Straßenseite in Frankfurts kleinstes Naturschutzgebiet, das Mühlbachtal. Das Wasser des Mühlbachs diente früher zum Antrieb der Enkheimer Mühle. Eine Besonderheit des Gebiets ist das üppige Vorkommen des Riesenschachtelhalms. Ich durchquere das lauschige Areal und gelange zur Röhrborngasse. Dieser folge ich immer weiter nach oben. An der Straße Im Sperber befindet sich das Hotel-Restaurant „Schöne Aussicht“ und der Name ist Programm: Rund um die evangelische Berger Kirche ist die Fernsicht atemberaubend. Zudem entdecke ich dort Historisches: Eine steinerne Ruhebank sowie Reste der Berger Stadtmauer aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts.

Mein Weg führt mich nun auf die quirlige Marktstraße mit ihrer vielfältigen Gastronomie. Ich werfe einen Blick auf eines der Wahrzeichen des Stadtteils: Das Alte Rathaus. Das Erdgeschoss diente um 1320 als Markt- und Gerichtsplatz, die oberen Etagen inklusive Turmbau entstanden zwischen 1520 und 1530. Das wunderschöne Baudenkmal ist seit Jahren wegen Einsturzgefahr eingerüstet, doch nun sollen endlich Sanierungsarbeiten losgehen.

Ich unternehme einen Abstecher zum Günthersbrunnen, einem barocken Ziehbrunnen, in der gleichnamigen Straße. In Bergen-Enkheim begegnet der Spaziergänger einigen Brunnen, wie dem Röhrborn, dem Michlersbrunnen oder dem Stillsbrunnen. Freunden von Brunnen und Quellen sei der Grüngürtel-Quellenwanderweg ans Herz gelegt, der zwischen Seckbach und Bergen-Enkheim verläuft.

Über die Gangstraße laufe ich zum Weißen Turm, der zu Bergens mittelalterlichen Befestigungsanlage gehörte. Markant sind seine helle Farbe und das spitz zulaufende Dach. Vom Turm aus geht es zum Schelmenburgplatz und zur Schelmenburg. In der Wasserburg lebte eine ritterständische Adelsfamilie, die Schelme von Bergen. Alle vier Jahre führen die Schelmenspieler vor der Kulisse des Wasserschlösschens das Heimatstück von Conrad Weil „Der Schelm von Bergen“ auf. Die Hauptfiguren des Stücks – der Schelm, oder auch der Henker, sowie die Kräuterfrau Sybille – stehen als Bronzeskulpturen vor der Burg. Einer der Schauplätze des Stücks und weiteres Wahrzeichen des Stadtteils ist die Berger Warte auf dem Berger Rücken, die streng genommen auf Seckbacher Gemarkung steht. In der Nähe des Wartturms wurden bis 1834 Todesurteile am Galgen vollstreckt.

Wieder auf der Marktstraße laufe ich Richtung Osten und biege in die Straße An der Oberpforte ein. Dort befindet sich das Stadtschreiberhaus, in dem die Träger des Literaturpreises „Stadtschreiber von Bergen-Enkheim“ für ihre Amtszeit von einem Jahr mietfrei wohnen dürfen, aber nicht müssen. An der Wand sind die Namensschilder aller bisherigen 48 Stadtschreiber verewigt. Aktuelle Stadtschreiberin ist Dorothee Elmiger. Das jährliche Stadtschreiberfest läutet den Berger Markt ein, der ganz in der Nähe des Stadtschreiberhauses auf dem Berger Marktplatz gefeiert wird. Bei dieser Festivität wird zudem die Bergen-Enkheimer Apfelweinkönigin gekrönt. Ich schlage mich Richtung Nordring durch, werfe einen Blick auf die dortige katholische Kirche St. Nikolaus und laufe bis zum Entrée der Hohen Straße. Die einstige Handelsroute war Teil der historischen „Via Regia“, die von Santiago de Compostela nach Kiew führte.

Ich steige vom Berger Hang über den Martin-Schäfer-Weg durchs Grüne hinab ins Tal. An zahlreichen Stelen gibt es entlang des Streuobstwiesen-Lehrpfads Wissenswertes über diese besonders für den Apfelwein bedeutenden Biotope zu lesen. Im Naturschutzgebiet Enkheimer Ried angekommen, genieße ich den Blick auf den wunderschönen Riedteich. Vorbei am Schwimmbad „Riedbad“ werfe ich an der Riedstraße noch einen Blick auf eine hübsche Hofanlage einer ehemaligen Zisterzienserabtei mit Torbogen und Herrenhaus – den Mönchhof. Anschließend mache ich mich wieder auf den Nachhauseweg.

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