Auch Obertshausen demonstriert für Demokratie, aber ausdrücklich nicht „gegen rechts“ „Lass uns laut sein“

Für die Demokratie: Stadtverordnetenvorsteher Anthony Giordano (CDU), Grünen-Fraktionsvorsitzende Corina Retzbach, Bürgermeister Manuel Friedrich (unabhängig), CDU-Bundestagsabgeordneter Björn Simon sowie Pfarrer Norbert Hofmann (St. Thomas Morus) und im Rollstuhl Silvia Acemi, ehrenamtliche Behindertenbeauftragte, v.l.. Bild: mangold

Obertshausen – Als es dunkel wurde am Freitagabend, war der Platz vor dem Bürgerhaus gut gefüllt. Klaus-Uwe Gerhardt (Grüne), Obertshausens Stadtältester und Moderator des Abends, sagte, dass er so viel Leute in der Stadt höchstens mal an Fronleichnam gesehen habe. Rund 40 Gruppen aus allen gesellschaftlichen Bereichen hatten zur Kundgebung mit dem Titel „Obertshausen steht (auf) für Demokratie!“ eingeladen. Und Oliver Bode (Grüne), Vorsitzender der Lebenshilfe für den Kreis Offenbach, schätzte, dass insgesamt 500 bis 600 Teilnehmer gekommen waren.

Ähnliche aktuelle Veranstaltungen stünden häufig unter der Überschrift „gegen rechts“. Dem Vorbild sei man bewusst nicht gefolgt, betonte der Stadtverordnetenvorsteher Anthony Giordano (CDU). Sich politisch rechts der Mitte zu positionieren, sei kein Übel an sich, „Debatten sind wichtig, auch wenn sie unangenehm sind“. Problematisch sei es, wenn sich der rechtsextreme Rand in die Mitte der Gesellschaft dränge. Im Jahr 2011 habe es für die meisten noch so ausgesehen, als seien die Morde des NSU eine Ausnahme. Die Anschläge von Hanau und das tödliche Attentat auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) deuteten jedoch darauf hin, „dass es für ein ‘währet den Anfängen’ längst zu spät sein kann“. Bürgermeister Manuel Friedrich (unabhängig) sagte: „Extremistische Ansichten, Rassismus oder Antisemitismus können zu Gewalt und Spaltung führen.“ Ähnlich wie der Stadtverordnetenvorsteher sieht auch der Bürgermeister die Möglichkeit des freien Austauschs der Argumente gehemmt: „Demokratie heißt, Meinungsunterschiede auszuhalten und nicht immer eine Verengung des Diskurses stattfinden zu lassen. Wenn wir Demokratie verteidigen wollen, müssen wir auch wieder Diskussionen stattfinden lassen und diskussionsfreudiger werden, aber auch Quellen überprüfen und diese benennen“. Pfarrer Christoph Schneider von den katholischen Gemeinden St. Josef und St. Pius sprach von Ängsten vor sozialem Abstieg, die unter anderem dafür sorgten, dass sich die Gesellschaft polarisiere. Die Richtschnur des Handelns müsse darin liegen, „entschlossen für die Demokratie einzutreten“.

Der Theologe Arbab Ahmad steht der „Ahmadiyya Muslim Jamaat“ in Offenbach als Imam vor. Tausende von Mitgliedern der islamischen Glaubensrichtung mussten seit Jahrzehnten aus Angst um ihr Leben aus Pakistan fliehen. Dort gelten die Ahmadiyya-Gläubigen seit fünfzig Jahren laut Verfassung als nicht-muslimische Minderheit. Der Imam zitierte sowohl aus dem Grundgesetz – als auch aus dem Koran: „Lasset nicht ein Volk über das andere spotten, vielleicht sind diese besser als jene.“ Rudolf Schulz (Geschäftsführer Awo-Obertshausen) sagte, dass von der rechtsextremen Seite das Thema Inklusion als etwas Böses dargestellt, der Begriff der Euthanasie falle wieder, massenhafte Abschiebung von Migranten werde gefordert. Die Awo beschäftige 190 Angestellte aus 15 Ländern, 60 Prozent hätten einen Migrationshintergrund, „ohne sie würde unter soziales Netz zerreißen“. Als Vertreter der Maingau Energie betonte Ben Hagelaue, dass Fremdenfeindlichkeit den Wohlstand gefährden würde. Er habe jüngst einen Marokkaner und einen Ukrainer eingestellt: „Sie waren die besten Bewerber.“ Nayla Lücking, Schülerin der Hermann-Hesse-Schule, rezitierte die Zeilen „Demokratie bedeutet, für das einzustehen, woran wir glauben“. Die Versammlung endete, wie sie angefangen hatte. Der Chor „You Can“ sang unter seinem musikalischen Leiter Peter Krausch „Lass uns laut sein. Was einmal war, darf nicht mehr geschehen“.

Von Stefan Mangold