Mit einer Polonaise das Rathaus eingenommen

Obertshausens Tollitäten haben die Stadtkasse erbeutet: Magistrats-Mitglied Jürgen Krapp (links) übergab die wertvolle, aber ungefüllte Truhe Obertshausens. Bild: m

Obertshausen – Zu klein, schlecht gedämmt und nicht den Brandschutzbestimmungen entsprechend: Tatsächlich würde nur ein Narr einen Pfifferling auf die einst moderne Stahlkonstruktion geben. Närrinnen und Narren waren es denn auch, die am Sonntagnachmittag Besitz vom Verwaltungsgebäude der Stadt an der Schubertstraße ergriffen. Der Tanzsport- und Karnevalsverein „Die Elf Babbscher“ hatte zum Rathaussturm geblasen, und mehrere hundert Aktive und Neugierige versammelten sich an der Bühne vorm Springbrunnen.

Pünktlich um 14.11 Uhr erreichte der fröhliche Lindwurm mit Guggemusik und Fahnenschwenkern, Nodebabbschern und Bannergarde, Tänzerinnen und Tollitäten das Kampffeld. Sie hatten sich an der Sporthalle Rodaustraße versammelt und zügig in Bewegung gesetzt, denn ie Kälte setzte auch den Fastnachtern sichtlich zu. Zu Fuß und mit Fahrzeugen hatten sich auch Gruppen von Vereinen aus den Nachbarstädten dem närrischen Umzug angeschlossen.

Im Visier hatten sie die schmucke Truhe mit dem Obertshausener Wappen auf dem Deckel sowie den großen, schwarz lackierten Schlüssel. Die Stadtkasse ist zwar leer, und das Rathaus soll 45 Jahre nach dem Erhalt der Stadtrechte aufgegeben werden, dennoch begehrten die Karnevalisten die Insignien der Macht.

Zwei Dutzend Tollitäten versammelten sich mit Comtesse Sarah I. und Lederbaron Sebastian I. und erstmals mit Kinder-Comtesse Freifrau Hanna Sofie I. und Kinder-Baron Freiherr Bruno Oskar I. auf Augenhöhe mit dem Magistrat.

Bürgermeister Manuel Friedrich wiegelte die Wünsche nach freiem Internetzugang überall und einem Freibad am Rodaustrand ab. Für die Planscherei müssten Bäume fallen und privates Ackerland erworben werden. Erster Stadtrat Michael Möser versicherte, diesmal nicht zu den Karnevalisten überzulaufen, trug aber schon Babbscher-Schürze und Narrenkappe, Magistratsmitglied Luis Galvez-Roque hielt bereits die weiße Fahne bereit.

Möser überredete die Tolliäten, um die Herrschaft in einer Schubkarre voll Sand zu buddeln. Hier war Sebastian und Sarah das Glück hold, die stießen mit ihren Schaufeln auf eine Mini-Schatztruhe, damit gehörte ihnen der Zugang zum Rathaus. Das nahmen sie sogleich mit einer Polonaise über alle Stockwerke ein.

Zuvor schimpfte Babbscher-Chef Andreas Murmann über die Politik in Berlin, Teuerungen auf allen Ebenen, Kriege in der Ukraine und in Nahost. Dabei bekam vor allem Kanzler Olaf Scholz sein Fett ab. Mit Farbe und Tempo wärmten die Tanzgruppen Blue Stars, Blue Magic Teens und die Solistin Kira Frickel die Herzen des Publikums. Auch die Black Fairies von der Stadtgarde Offenbach waren mit dabei.  m