Safiye Can zu Gast in der Stadtbücherei Obertshausen Ein tiefsinniger Leseabend

Safiye Can sucht den Dialog mit den Besuchern in der Stadtbücherei nach den Vorkommnissen in Hanau. Foto: m

Obertshausen (m) – „Aus Büchern sind die Buchstaben herausgefallen. Mit Goldstaub schreibt man keine Gedichte. Mit Kugelschreibern schminkt sich keine Frau.“

Die Gedichte der Safiye Can zeichnen eine heitere Note, die aus ganzem Herzen lächelnde Frau verbreitet eine ansteckend freundliche Atmosphäre. Selbst wenn sie die Vorkommnisse von Hanau aufruft, bewahrt sie eine positive Perspektive.

Der Deutsch-türkische Kulturverein hatte die gebürtige Offenbacherin mit tscherkessischen Wurzeln zu einer Lesung in die Stadtbücherei Kirchstraße eingeladen. „Danke, dass es solche Vereine gibt“, sagt der Gast. „Sie sorgen dafür, dass wir zusammen kommen und uns verstehen.“ Sie baue auf das „Vertrauen, dass das Fremde nicht fremd bleibt“, beginnt sie eine „Gedenkveranstaltung“ mit eigener Lyrik und Werken anderer Autoren. „Damit wir nicht alleine zu Hause traurig und wütend sein müssen“.

Zuerst aber verliest sie die Namen der neun Opfer mit Migrationshintergrund, vom 22-jährigen Kellner aus Ost-Anatolien, der kurz vor seiner Verlobung stand, über die 35-jährige Mutter mit polnischen Wurzeln bis zum 30-jährige Besitzer der Shisha-Bar, einem Bosnier.

Paul Celan, ein jüdischer Übersetzer, dessen Eltern in Arbeitslagern zu Tode kamen, schrieb die „Todesfuge“: „Schwarze Milch der Frühe, wir trinken sie nachts … wir trinken dich abends und morgens, wir trinken und trinken. Der Tod ist ein Meister aus Deutschland, sein Auge ist blau, er trifft dich mit bleierner Kugel, er trifft dich genau.“ Mit den „Augen in der Großstadt“ beschreibt Kurt Tucholsky „den fremden Anderen - es kann ein Feind sein, es kann ein Freund sein, es kann im Kampfe dein Genosse sein. Es sieht hinüber und zieht vorüber ...“. Auch türkische Gedichte rezitierte sie: „Ich schrei’, schrei’, schrei’ ...“.

Immer wieder fordert sie ihr Publikum, das sie längst für sich gewonnen hat, zum Dialog auf. „Was kann ich als Einzelner tun, das dachten sich Hunderttausende - und setzten ihr Alleinsein fort“, überlegt die Schriftstellerin. „Wir können sehr viel tun, wir müssen es nur wollen, unsere Stimme zeigen.“ Dann stellt Safiye Can ihr Buch „Kinder der verlorenen Gesellschaft“ vor: „Es ist diese Gesellschaft“, antwortete sie auf die Frage danach. Obwohl, „meine Jugend war wunderbar“, bestätigt sie, und man müsse „auch schöne Zeiten in Gedichten darstellen“.

Die Dichterin arbeitet viel mit Schülern, sie sollen Freude an Lyrik finden. „Wenn es sie nicht anspricht, ist es nicht ihr Gedicht und sie brauchen sich nicht damit zu quälen.“ Ihr Debüt-Band „Rose und Nachtigall“, der zuvor in Zeitschriften veröffentlicht wurde, erscheint bereits in der 7. Auflage. „Das ist irre für Lyrik, unfassbar“, freut sie sich. Auch die Grafik ist von einem Offenbacher. „Das Buch riecht gut“, sei mit Seitenbändchen und beigelegtem Bild ausgestattet.

Eine weitere Metapher stammt aus ihrer Feder: „Ich wundere mich, das heute alle Menschen lächeln – dabei bin ich’s, die lächelt, sie antworten nur.“ Aktan Aktas begleitet den Abend mit anatolischer Folklore, die türkischstämmige Besucher mitsingen.