Richard Plackinger erzählt die frühe Mühlheimer Geschichte anhand archäologischer Funde Wie die Mühlheimer Vorfahren damals lebten

Spannend erzählt Richard Plackinger wie unsere Vorfahren lebten. Neidisch muss man nicht unbedingt werden. Foto: man

Mühlheim (man) – Manche neigen dazu, frühgeschichtliche Epochen zu verklären. Es herrschte keine Überbevölkerung, keine Massentierhaltung, und zu essen gab es nur Bioqualität. Außerdem gab es im Zusammenleben in der Gruppe keine Einsamkeit. Ob sich die Leute deshalb besser fühlten als in der industriellen Gegenwart, darf bezweifelt werden. Kaum jemand wurde alt. In der Jungsteinzeit lebten die Männer im Schnitt gerade mal 33 Jahre, die Frauen nur 30 Jahre. Häufig starben sie qualvoll bei Geburten. Entzündete Zahnwurzeln standen für alle ganz oben auf der Ursachenliste fürs Sterben.

„Für den Neandertaler ging es nur ums überleben, sonst nichts“, betont Richard Plackinger. Das langjährige Mitglied der frühgeschichtlichen Arbeitsgruppe referierte vor Kurzem bei einer Sonderführung anhand der archäologischen Funde um Mühlheim über den Alltag unserer Ahnen.

Der 75-jährige zeigt ein Teil, das er 1976 auf einem Spaziergang mit seiner damals zweijährigen Tochter fand. Im Wald in der Nähe der Steinbrüche entdeckte Plackinger am Rand eines Bombentrichters eine Fibel, eine Sicherheitsnadel, mit der sich jemand in der Latènezeit sein Kleidungsstück zusammen gesteckt hatte, also irgendwann in den 500 Jahren vor Christi Geburt. Plackinger zeigt auch die vielen Exponate aus der Federmesserzeit, die zwischen 12.000 und 10.800 vor Christus lag: „Damals lebten auf dem Territorium des heutigen Deutschlands gerade mal 10.000 Menschen.“ Das bedeutet, theoretisch hatte jeder über 35 Quadratkilometer für sich ganz alleine. Heute müssen sich 262 Bundesbürger einen Quadratkilometer teilen. Ackerbau kannte der Mensch noch nicht, folglich auch keine Tonkrüge. Die hätten sich für die Nomaden nicht transportieren lassen. Dennoch war es möglich, sich ein Süppchen zu kochen. Plackinger zeigt das Bild von einem mit Wasser gefüllten aufgehängtem Lederbeutel. Der hielt zum einen dicht und zum anderen aus, wenn jemand aus dem Feuer nebenan mit Stöcken Quarzsteine reinlegte.

Die Landwirtschaft begann vor etwa 7.000 Jahren, mit ihr auch Sesshaftigkeit, Arbeitsteilung, Familie und Privateigentum. Ehe die Töpferei zum Gewerbe wurde, stellten Frauen die zerbrechlichen Gefäße zu Hause her, wie Fingerabdrücke beweisen.

Ein anderes Bild zeigt einen Basaltstein in relativ flacher Form. Den benutzten in der Dietesheimer Gegend während der Spätsteinzeit Jäger als Lampe. Durch chemische Analysen ließen sich Rückstände von Moos und trierischen Fetten nachweisen.

Was das Alter betrifft, so gab es natürlich auch Ausreißer nach oben. Wer das Glück hatte, sich nicht schlimm zu entzünden, einen Knochen zu brechen, von keinem feindlichen Speer getroffen zu werden oder im Winter zu verhungern, der konnte auch ein relativ hohes Alter von 50 Jahren erreichen, wie der Mann aus dem Grab im Bonner Stadtteil Oberkassel. Die Frau, die außerdem darin liegt, starb jedoch schon mit 20. Steinbrucharbeiter entdeckten die beiden 1914.

Plackinger erklärt bei der Gelegenheit die Radiokarbonmethode, mit der sich das Alter der zwei ziemlich genau bestimmen ließ. Organismen nehmen zu ihren Lebzeiten ständig radioaktive Kohlenstoffatome auf, die nach dem Tod in bestimmten Zeitabläufen zerfallen, was sich physikalisch messen lässt.