Vorführungen an einem wichtigen Fundort Leben vor 40.000 Jahren

Oliver Littmann zeigte am Sonntag auch ein selbst hergestelltes Messer, es handelt sich um eine Nachbildung von Schneidewerkzeugen, mit denen vor über 40.000 Jahren Neandertaler Tiere zerlegten. Foto: Foto: Mangold

Mühlheim (man) – Die Stadt feierte vor kurzem ihr 1.200-jähriges Bestehen. Doch schon lange zuvor lebten in der Gegend Menschen. Für die frühgeschichtlichen Abteilung des Stadtmuseums erklärten am Sonntag erfahrene Hobby-Archäologen im Osten von Dietesheim an der Hanauer Straße anhand ihrer Funde, wie sich die Tage unserer Ahnen gestalteten.

Richard Plackinger präsentiert etwa Pfeilspitzen aus der Jungsteinzeit, die sich zwischen 2000 und 5000 vor Christus erstreckt. Plackinger gehört genauso wie Horst Becker zu den Männern, die 1970 anfingen, in Mühlheim nach frühen Zeiten zu graben. Als gelernter Goldschmied war Becker prädestiniert, Abdrücke von Funden zu nehmen, wie die von kleinen römischen Skulpturen.

Plackinger erzählt, wie er selbst zur Gruppe der Mühlheimer Archäologen stieß. Damals ging er mit seiner Frau Christa am Main spazieren. In Steinheim trafen die beiden auf Karl Kirstein, der in einem Loch stand und nach Funden aus der Römerzeit grub. Man kam ins Gespräch, „Kirstein sagte, sie bräuchten noch einen Zeichner“. Plackinger, technischer Zeichner von Beruf, fing Feuer und machte von dem Zeitpunkt an mit.

Bei warmen Sonnen-Wetter erzählt der 73-Jährige den insgesamt über 200 Besuchern von einer besonderen Fundstelle ein paar Meter weiter, die mit einem abgesperrten Quadrat aus Banderolen auf der Wiese gekennzeichnet ist. Vor 39 Jahren gruben die Hobby-Archäologen dort und fanden ein Federmesser. Die Stelle entpuppte sich schließlich als einer der wichtigsten Fundorte aus dem Spätpaläolithikum in ganz Europa, also aus der Zeit von 8000 bis 9000 vor Christus. Die Bewohner hatten dort unweit vom Main ihre Hütten und schlugen davor ihre Werkzeuge zurecht. Die Splitter der Feuersteine blieben liegen.

Zwischen 1977 und 1980 grub dort der Prähistoriker Gerhard Bosinski mit Studenten. Die Kölner Universität ernannte den Mann am Ende der Arbeiten zum Professor. Plackinger zeigt eine Magisterarbeit von Bosinkis Studentin Angela Rosenstein aus dem Jahr 1991, die sich mit den Mühlheimer Ausgrabungen beschäftigt: „Spätpaläolithische Funde am Unteren Main.“

Auf der Wiese demonstriert Matthias Kiel die Kunst des Bogenschießens. Kiel erzählt vom ersten Fund des Waffentyps in Dänemark. Der ging als der rund 8.000-Jahre „Holmegaard-Bogen“ in die Geschichte der Archäologie ein.

Kiel baut Bögen ohne Schnickschnack. Sie unterscheiden sich nicht von denen, die schon tausende Jahren zuvor für die Jagd oder Konfliktaustragung zum Einsatz kamen.

Der Anfänger trifft damit die Scheibe kaum. Für den Deutschen Vizemeister im berittenen Bogenschießen des Jahres 2009 stellt es kein Problem dar, aus 20 Metern die meisten Pfeile ziemlich mittig zu platzieren, auch wenn der 45-Jährige konstatiert, schon länger nicht mehr im Training zu stehen.

Seit 22 Jahren pflegt Oliver Littmann ein besonderes Steckenpferd. Der Nieder-Rodener produziert Werkzeuge, mit denen sich bereits vor über 40.000 Jahren Fleisch zerschneiden und Knochenmark ausschaben lies.

Mit Kieselsteinen für die Grob- und Tierhörnern für die Feinarbeit produziert Littmann aus Feuersteinen etwa einen tropfenförmigen, von allen Seiten scharfen Micoque-Keil, „das Taschenmesser der Neandertaler“. Sein Material sammelt der 46-Jährige an der Ostsee, „also hinter der Feuersteinlinie, die zwischen Hamburg und Dresden verläuft“. Die skizziert die auslaufenden Gletscher der letzten Eiszeit, die vor knapp 12.000 Jahren endete. Littmann hört am Klang, ob der Stein was taugt: „Nur jeder hundertste lässt sich bearbeiten.“ Am besten sind die frisch aus dem Meer.

„Von viel Blut“, erzählt Oliver Littmann, das er beim Zuhauen der Feuersteine durch kleine und größere Verletzungen anfangs vergossen habe. Längst passieren ihm nur noch selten Malheure. Littmann haut auch für Museen Steine zu. Seine Fertigkeiten führt er regelmäßig vor.

Dass sein Werkzeug funktioniert, weiß Littmann. Der gelernte Fleischer probiert seine prähistorischen Messer manchmal bei der Arbeit aus.