Fundsachenversteigerung: Kleines Publikum bedeutet kleine Preise Ein oder zwei Euro für ein Fahrrad

Bezahlen, aufsitzen, losfahren: Bernd Brüstle präsentiert ein besonders gutes Herrenrad. Daniela Poth (am Stehtisch) ruft die Gebote auf und erteilt den Zuschlag. Bild: wolf

Jügesheim – Einmal im Jahr trennt sich das städtische Fundbüro von Gegenständen, die keiner mehr haben will. Vor allem Fahrräder nehmen viel Platz weg. Die Versteigerung ist ein Geheimtipp. Oft bekommt man schon für 20 Euro einen passablen Drahtesel. Doch die jüngsten Schnäppchenpreise kann man nicht mehr unterbieten. Diesmal gingen manche Räder für ein oder zwei Euro weg. 31 Fahrräder und zwei Tretroller stehen bereit. Dazu ein Schalenkoffer, eine Digitalkamera, eine Powerbank und etwas Modeschmuck. Und eine fahrbare Tasche für Golfschläger. Was man halt so alles verliert – oder gestohlen bekommt. „Ich bin froh, wenn’s weg ist“, sagt Daniela Poth von der städtischen Ordnungsbehörde. In der Hans-Böckler-Straße 1 hat das Fundbüro zwar mehr Platz als früher an der Unteren Sände. Trotzdem ist auch hier der Raum begrenzt. Die Erfahrung zeigt: Nur die wenigsten Fundsachen werden abgeholt. Warum, ist der Sachbearbeiterin ein Rätsel: „Hier werden so viele Sachen abgegeben, aber die Leute rufen nicht an.“ Sechs Monate lang muss das Fundbüro die Gegenstände aufbewahren. Danach gehört die Fundsache demjenigen, der sie gefunden hat. Wenn der Finder verzichtet, heißt es: ab zur Versteigerung! Für Daniela Poth ist es eine Premiere. Zum ersten Mal in ihrem Leben leitet sie eine Auktion. Doch das sieht man ihr nicht an. Nach zwei, drei einführenden Sätzen ruft sie einen Gegenstand nach dem anderen auf. Zuerst die Fahrräder. Mit geübtem Schwung präsentiert ihr Kollege Bernd Brüstle die Räder so, dass man alle wesentlichen Details sieht. Ein Damenrad mit Dreigangschaltung geht zum Mindestgebot von einem Euro weg. Ein Mountainbike der Marke Hercules wird für 80 Euro verkauft. Als Nächstes kommt ein lilafarbenes Damenrad, an dem nicht nur die Bremsen kaputt sind. Daniela Poth hat schon zu einer gewissen Routine gefunden: „Mag es jemand haben? Nein? Dann bleibt es bei uns.“ Das gleiche Schicksal teilt eine Schrottmühle ohne Hinterrad, die scherzhaft als „Einrad“ angekündigt wird. So klein war das Publikum schon lange nicht mehr. Nur etwa 15 Personen haben sich auf den Weg gemacht. Warum? Es ist müßig, über die Ursachen zu spekulieren. Die Versteigerung wird zur Farce. Auch Ware im Topzustand wird für ein oder zwei Euro verramscht: ein Reisekoffer, ein Wickelrucksack, zwei Paar Damenstiefel. Der Modeschmuck bleibt liegen. Die Digitalkamera auch. Bei einer verspiegelten Sonnenbrille steigern sich zwei Interessenten bis auf zwölf Euro hoch. Dafür hätten sie auch mehrere Fahrräder bekommen können. Apropos Fahrräder: Eine Kundin erwirbt gleich 13 Stück, „um sie vor dem Sperrmüll zu retten“, wie sie sagt. Die Drahtesel werden aufgearbeitet und weiter verkauft. „Das ist mein Hobby“, sagt ihr Begleiter. Am Ende sind 297 Euro in der Kasse, ein Bruchteil des üblichen Erlöses. Bei der Online-Auktion im vergangenen Jahr hatte die Stadt etwa 2 000 Euro eingenommen. Die Käufer sind bei einer solchen Versteigerung juristisch auf der sicheren Seite. Sobald sie bezahlt haben, gehört ihnen der Gegenstand unwiderruflich. Falls doch einmal ein früherer Eigentümer sein ehemaliges Fahrrad im Verkehr entdeckt: Pech gehabt! Er kann innerhalb von drei Jahren lediglich den Versteigerungserlös zurückfordern. Im ungünstigsten Fall bekommt er einen Euro.

Von Ekkehard Wolf