Von Ananas bis Zähne Ausstellung im Museum für Kommunikation

Exponate der Wunderkammer. Foto: Faure

Sachsenhausen (jf) – Was ist das eigentlich, der viel zitierte „Goldene Schnitt“? Dieser Frage geht die Ausstellung „Göttlich Golden Genial“ im Museum für Kommunikation nach. „Wir knüpfen damit an die Exposition ‚Bin ich schön?’ 2014 an und begeben uns auf die Suche nach einer immer geltenden Formel“, erklärte Helmut Gold, Direktor des Museums. In Kooperation mit dem Museum für Kommunikation Berlin ist die Schau nun auch am Main zu sehen.

„Es gibt viele Verfechter des Goldenen Schnitts. Der Ausgangspunkt für uns war eine Studie der Universität Parma. Dort wurden Versuchspersonen Bilder von Skulpturen aus der Antike und der Renaissance vorgelegt sowie veränderte Varianten dieser Vorlagen. Die ursprünglichen Kunstwerke entsprachen dem Goldenen Schnitt – sie wurden als besonders schön empfunden“, berichtete Oliver Götze, Projektleiter am Berliner Museum für Kommunikation. Die nähere Beschäftigung mit dem Thema glich allerdings einem Stich in ein Wespennest; es gibt Gegner und Befürworter des Goldenen Schnitts. Der Begriff wurde im 19. Jahrhundert geprägt und verbreitete sich schnell. Er löste zudem eine regelrechte „Suchwut“ aus: Mit speziellen Instrumenten versuchten viele – übrigens bis heute – den Goldenen Schnitt in allen möglichen Bildern, Bauten und Naturprodukten nachzuweisen.

Goldener Schnitt wurzelt in der Geometrie

Kuratorin Katharina Schillinger ergänzte: „Die Mathematik bietet einen theoretischen Zugang, der Goldene Schnitt wurzelt in der Geometrie.“ Eine Strecke wird durch einen Punkt „S“ im Goldenen Schnitt geteilt, wenn das Verhältnis aus der Gesamtstrecke zum längeren Teil das gleiche ist wie das Verhältnis aus dem längeren Teil zum kürzeren. Zu schwierig? Die Ausstellung bietet genügend Beispiele; sie beginnt im zweiten Obergeschoss mit einer Wunderkammer.

Der Besucher steht vor einer Pyramide mit 41 Exponaten, die meisten unter Glaszylindern: Seestern und Schuppentier, Nautiluspokale und eine goldene Ananas, Kaninchen und Falter, Dodekaeder und Megaminx Zauberwürfel, Blüten und Farnwedel. Was haben denn Kaninchen mit dem Goldenen Schnitt zu tun? Auf den ersten Blick nichts, in diesem Fall sind die Tiere ein Hinweis auf die Fibonacci-Folge, er beschrieb damit 1202 das Wachstum einer Kaninchenpopulation. Beschäftigt man sich näher mit der Zahlenreihe, entdeckt man Zusammenhänge. Gilt dieses Muster auch bei anderen Naturprodukten? Ja, zum Beispiel bei der Ananas. Ein gehäkeltes Exemplar mit eingearbeiteten Zahlen macht das deutlich – es ist eines von rund 250 Exponaten der Ausstellung aus den Bereichen Natur, Kunst, Design, Architektur und Musik.

Formel für Schönheitschirurgen und Zahnmediziner

Der Aston Martin DB9 und die Uhr „Ellipse d’Or“ von Patek Philippe genau nach dem Goldenen Schnitt gestaltet? Katharina Schillinger bemerkte dazu: „Die Spurensuche verliert sich in der Marketingabteilung.“ Der Architekt Le Corbusier setzte sich ebenfalls mit der Weltformel auseinander, brachte sie mit den menschlichen Körpermaßen in Verbindung und entwickelt das System „Modulor“, das allerdings an Grenzen stößt – im Fall der Berliner Unité d’Habitat an die der Berliner Bauverordnung, die eine Deckenhöhe von 250 Zentimetern vorschreibt. Le Corbusier sah nur 226 Zentimeter vor.

Der Besucher staunt nicht nur, er kann auch selbst aktiv werden, sich eine eigene Schablone zum Goldenen Schnitt basteln, seine Gesichtszüge mit einem Raster vergleichen, puzzeln und Orgel spielen – natürlich nach den Regeln des Goldenen Schnitts auf einer Sonderanfertigung des Instruments. Nicht nur Schönheitschirurgen verwenden Maßraster nach dem Goldenen Schnitt, auch Zahnmedizinern ist die Formel bekannt.

Zur Ausstellung ist ein 224-seitiges Buch erschienen, das unterhaltsam und mit vielen Beispielen aus diversen Bereichen dem Mythos vom Goldenen Schnitt nachgeht. Selbstverständlich haben die Gestalter darauf geachtet, dass dieser Katalog im Goldenen Schnitt liegt: Das Verhältnis 1:1,618 bestimmt alle Abstände und Vorgaben, die Typografie wurde ebenfalls in diesem Verhältnis zueinander gesetzt.

Die Ausstellung ist noch bis zum 23. Juli 2017 zu sehen.