KOALITIONSVERTRAG Was Seniorenheim-Betreiber zu den Ideen der Landesregierung sagen Halbgare Pläne für die Pflege?

Mehr Kapazitäten bei Ausbildungsplätzen, eine leichtere Anerkennung ausländischer Abschlüsse und weniger Bürokratie sollen Pflegekräften mehr Zeit für die Betreuung von Altenheimbewohnern geben. symbol Bild: tom weller/dpa

Ostkreis – Weniger Kosten für Pflegebedürftige, Anerkennung für pflegende Angehörige, mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen in Seniorenheimen – auf dem Papier klingen die Pläne der neuen hessischen Landesregierung gut. Doch was steckt hinter den Zielen des Koalitionsvertrags und wie kommen die Ideen in der Pflege an? Wir haben bei den Betreibern zweier Seniorenheime in Hainburg und Mainhausen nachgefragt.

Landespflegegeld

Als „finanzielle Unterstützung bei der Bewältigung des Alltags“ wollen CDU und SPD ein Landespflegegeld einführen. Was genau das heißen soll, steht im Koalitionsvertrag nicht. Auch er wisse bisher noch nicht, was sich die Koalition darunter vorstelle, sagt Bernhard Pammer, Geschäftsführer der „Agaplesion Wohnen & Pflegen Süd“, die das Simeonstift in Hainburg betreibt.

In Bayern bekommen Pflegebedürftige ab Pflegegrad zwei seit 2018 ein Landespflegegeld – 1 000 Euro im Jahr. Es soll nicht vorrangig die Pflegekosten decken, sondern eher genutzt werden, um sich selbst etwas Gutes zu tun oder pflegenden Angehörigen oder Helfern eine „finanzielle Anerkennung“ zukommen zu lassen. So hatte es auch die hessische CDU in ihrem Wahlprogramm formuliert.

Für Senioren, die im Heim gepflegt werden, mache ein Landespflegegeld keinen Sinn, sagt Anja Kaiser, Geschäftsführerin des Mainhäuser Seniorenheims Aurelius-Hof. „Es ist im ambulanten Bereich eine Wertschätzung der pflegenden Angehörigen, im vollstationären Bereich hilft eine einmalige finanzielle Unterstützung wenig. Ein Großteil unserer Bewohner ist ohnehin auf die finanzielle Unterstützung durch den Sozialhilfeträger angewiesen“, erklärt sie.

Pflegedeckel

Je nach Pflegegrad zahlt die Pflegeversicherung einen Anteil der Pflegekosten. Dennoch bleibt für die Versicherten ein großer Eigenanteil zurück. Dieser variiert von Heim zu Heim und wird von der Versicherung je nach Länge des Aufenthalts zusätzlich bezuschusst. Anfang 2024 lag der Eigenanteil für Pflegebedürftige in Hessen im ersten Jahr durchschnittlich bei 2 560 Euro. Im Koalitionsvertrag erklären CDU und SPD, sich beim Bund für einen „Pflegedeckel“ beim Eigenanteil der Versicherten einsetzen zu wollen. Anja Kaiser bestätigt, dass immer mehr Bewohner die hohen Eigenanteile ohne sozialrechtliche Unterstützung nicht mehr stemmen könnten, hat aber auch Bedenken, was die Höhe des „Pflegedeckels“ angeht. Denn wo dieser liegen könnte, ist noch unklar. „Angenommen, der Deckel liegt beim derzeitigen Mittelwert des Eigenanteils, bewirkt er, dass Preissteigerungen nicht mehr refinanziert werden“, erklärt Anja Kaiser. Denn aktuell würden bei der Verhandlung der Heimentgelte auch Steigerungen bei Personal- und Sachkosten eingerechnet und auf die Bewohner umgelegt. Bei einheitlichen Heimentgelten befürchtet sie zudem, „dass Einrichtungen dann keine Qualitätsverbesserungen bieten können“. Für Bernhard Pammer bleibt zudem die Frage offen, „wer die Kosten trägt, die über diesen ‘Pflegedeckel’ hinausgehen“.

Denkfabrik

„Wir wollen eine ,Denkfabrik’ zur Pflege gründen. Wissenschaft, Praxis und Politik sollen dabei neue Antworten auf die sich wandelnden Anforderungen sektorenübergreifender Versorgung bereitstellen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Daran würde auch sein Unternehmen gern teilnehmen, sagt Bernhard Pammer. „damit Innovation und Lösungen aus der Praxis heraus entwickelt werden können“. Wichtiger, sagt er, wäre aber eine zügige Umsetzung vorhandener Regelungen.

„Komm in die Pflege“

Darauf zielt auch der Aktionsplan „Komm in die Pflege“ ab, den die Landesregierung auflegen will. Damit sollen unter anderem ausländische Abschlüsse vereinfacht und schneller anerkannt werden. Aktuell dauere es vier Monate und mehr, Arbeits- und Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen und verlängern, beklagt Bernhard Pammer. „Wenn unsere Politiker weltweit unterwegs sind, um Arbeitskräfte zu finden, sollten unsere Verwaltungsstrukturen auch so geändert werden, dass Interessierte zeitnah arbeiten können/dürfen.“

Aurelius-Hof-Chefin Anja Kaiser hingegen sieht dabei – genauso wie beim Ausbau von Ausbildungsplätzen – keinen Bedarf. „Menschen, die die Ausbildung machen möchten und ein wahres Interesse an dem Berufsbild haben, werden jederzeit einen geeigneten Ausbildungsplatz finden“, sagt sie.

Bessere Arbeitsbedingungen

Mit weniger Bürokratie durch Digitalisierung und einer „konsequenten Umsetzung des Personalbemessungsgesetzes“ sollen laut Koalitionsvertrag die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte verbessert werden. Diese seien in den hessischen Einrichtungen bereits vergleichbar gut, sagt Anja Kaiser. Ausreichend Personal spiele dabei eine wichtige Rolle. „Wir Pflegenden fühlen uns besser, wenn es uns gelingt, unsere Bewohner liebevoll, qualifiziert und angemessen zu pflegen.“

Bernhard Pammer hält die „Entbürokratisierung“ dabei auch für wichtig. „Durch den Einsatz digitaler Tools und Technologien können administrative Aufgaben automatisiert werden, was den Fachkräften mehr Zeit für Pflege und Betreuung ermöglicht“, sagt er.

Von Laura Oehl