Auf den Spuren von Käthe Paulus in 3.200 Metern Höhe Triumphierender Sieg lässt wahre Stärke erahnen

Von oben sieht doch alles gleich viel besser aus- Nach dem aufregenden Sprung aus dem Leichtflugzeug genossen Tandemmeister Istvan und SHB-Mitarbeiterin Natalia Dizer die wundervolle Aussicht über den Odenwald. Foto: znd

Von Natalia Dizer

Zellhausen – Die Tür der Cessna 182 geht auf und mir ist klar, es gibt kein Zurück mehr. Gleich werde ich springen ohne Garantie, wieder sicher auf dem Boden aufzukommen. Der mir noch vor einigen Minuten unbekannte Tandemmaster Istvan aus Ungarn ist nun meine einzige Sicherheit in 3.200 Metern Höhe.

Wie es wohl „Europas erster Luftheldin“, der aus Zellhausen stammenden Käthe Paulus erging, als sie 1893 als erste deutsche Frau mit einem unsicheren Rundklappenfallschirm aus einem Ballon gesprungen ist, alleine?

Seit ich denken kann, habe ich Höhenangst. Es gibt für mich nichts Schlimmeres, als die Vorstellung zu fallen. Doch der Weg zu meinem ersten Tandemsprung wurde nicht wie erwartet von Angst geprägt, sondern Vorfreude. Tage zuvor habe ich mir versucht auszumalen wie es mir ergehen wird, wenn es endlich soweit ist. Wie es sein wird morgens aufzuwachen, mich ins Auto zu begeben und schlussendlich am Flugplatz anzukommen.

Meine Knie zittern, die Augen tränen und der Kopf fängt an zu streiken. Stattdessen aber ziert mein Gesicht ein weites Lächeln und mein Körper war völlig entspannt.

Im Fallschirmsprungzentrum Odenwald im kleinen Ort Mainbullau bei Miltenberg, begrüßt mich das Team rund um Inhaber Thomas Schaub und gibt mir direkt ein Gefühl von Sicherheit.

Nach der Erledigung aller Formalien, wurden alle Sprungwilligen theoretisch an den Tandemsprung herangeführt. Kurz bevor es in die Tiefe geht, erklärte Tandemmeister Istvan, werden er und ich im Flugzeug verbunden. Anschließend werde ich es mir auf seinem Schoß bequem machen und darauf warten, bis die Tür des Flugzeugs aufgeht. Istvan wird zuerst seinen linken Fuß auf ein kleines Podest stellen, welches an der Cessna befestigt ist, woraufhin sich meine Füße ebenfalls Richtung Podest bewegen werden.

Genauso war es. Der Ausblick aus dem Flugzeug in rund 3.000 Meter Höhe über dem Odenwald war wundervoll. Die Häuser ganz klein, das Grün der Felder bedeckte den Boden unter mir wie eine große Decke und die Wolken zum Greifen nah. Mit dem Okay des Piloten befestigte Istvan meinen Sicherheitsgurt an seinem und ich wurde fest an den Tandemmaster gepresst.

Obwohl ich normalerweise Körperkontakt zu vermeiden versuche, war es nicht unangenehm. Der Kopf denkt nicht darüber nach wie fest dich dein Gurt an den Körper eines fremden Menschen drückt, sondern wann man endlich den Absprung wagt.

Der Wind blies mir die Haare ins Gesicht als die Tür aufging. Die Beine auf das Podest. Es können nur noch Sekunden sein.

Und noch als ich darauf wartete, dass Istvan mir bescheid gibt, sind wir schon in der Luft. Kein Drei, zwei, eins. Keine Vorwarnung. Nichts. Ich war nicht bereit zu springen. Aber wann ist man schon bereit zu springen, wenn man Angst vor dem freien Fall hat?

Mein Bauch kribbelt, ein Gefühl vergleichbar mit dem beim Achterbahnfahrten. Freier Fall - ich denke an gar nichts mehr. Vom „Spaßfaktor“ hat Istvan vorher gesprochen.

Ich habe verstanden, dass die Sorge in den Nächten zuvor völlig unbegründet war. Es gibt sie nicht, die Angst. Es gibt nur Freude, Freude das Leben maximal zu spüren. Und das tat ich.

Bei 1500 Metern öffnete sich der Fallschirm, doch ich hätte noch länger fallen wollen. Wir wurden langsamer und ich konnte die Aussicht genießen, die ich bereits aus dem Leichtflugzeug erhaschen konnte. Istvan übergab mir die Lenkung und wir schwenkten leicht von rechts nach links, als er plötzlich an der linken Schnur zog und wir uns mit höchster Geschwindigkeit um unsere Achse drehten.

Ich war perplex. Mein ganzer Körper kribbelte, der Wind schlug mir in die Augen, sodass ich sie das erste Mal schließen musste.

Doch schon nach ungefähr drei Minuten war das Abenteuer freier Fall vorbei, aber ich war so von Euphorie erfüllt, dass ich noch viele Male hintereinander hätte springen können.

Nach meinem Sprung habe ich verstanden, was Käthe Paulus damals gereizt hat. Es war der Wind der den Körper im freien Fall umschlingt und das Bauchkribbeln, wenn man aus 3200 Metern Höhe in die Tiefe sieht. Es ist das Gefühl der Euphorie am Ende, das über die Ängste triumphiert und deine wahre Stärke erahnen lässt.

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Fotos vom Fallschirmsprung in unserer Bildergalerie.

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