Ay übernimmt Hausarztpraxis von Wolfring Übergabe in fähige Hände

Eine herzliche Übergabe: Mahmut Ay folgt auf Hans-Jürgen Wolfring. Foto: Prochnow

Seligenstadt – Viel verändert hat sich nach außen nicht, seit Dr. Mahmut Ay Chef der Hausarztpraxis Seligenstadt ist. An der Tür steht derselbe Name auf dem Metallschild, drinnen begrüßt Ay weiterhin jeden Patienten mit einem freundlichen Lächeln. Hinter den Kulissen der bekannten Adresse zwischen Wasserturm und Emma-Klinik hat der Mediziner allerdings am 1. Juli die Nachfolge von Dr. Hans-Jürgen Wolfring angetreten. Der bisherige Leiter freundet sich mit 70 Jahren mit dem Rentnerleben an, steht aber noch mit Rat und Tat parat.

Wolfring hat die Praxis vor rund 40 Jahren im Nachbarhaus eröffnet. 1998 zog sie in den Neubau, der sich bis heute mit stilvoller Übersicht bewährt. „Die Veränderungen waren gigantisch“, blickt der Scheidende zurück, „von der Papier- zur digitalen Verwaltung, vom Einzelkämpfer zum Teamgeist“. Um die stattliche Statue von Kaiser Karl im Flur drehen sich nun auch die Schwerpunkte Gelbfieber und Diabetes. Außerdem hat Wolfring die Telemedizin eingeführt.

Ay stieß im Mai 2019 zur Gemeinschaft, zu der auch die Allgemeinmediziner Dr. Ute Lessing und Dr. Harald Schmid zählen. Der gebürtige Gießener hat alle Stationen vom Kindergarten bis zum Medizinstudium in seiner Heimatstadt absolviert. Seine erste Arbeitsstelle trat er 2008 in der Herzchirurgie unter Professor Anton Moritz an der Uni-Klinik Frankfurt an. 2017 schloss er die Spezialisierung ab und blieb als Facharzt. Dann folgte Ay dem Ruf des Oberarztes Professor Andreas Zierer nach Linz, operierte viel und sammelte Erfahrungen.

Bis ihn und seine Familie das Heimweh zurück nach Hessen führte. Mit seiner Ehefrau, einer Anästhesistin, und den zwei Kindern wählte er eine Wohnung in Langen – und den Arbeitsplatz in Seligenstadt, wohin es ihn nun auch privat zieht. Den Herzchirurgen überzeugte, „den Menschen als Gesamtes zu sehen“, erklärt er. In der Gemeinschaftspraxis wirkt er auch präventiv und lässt sich vom breiten Spektrum der vertretenen Fachgebiete inspirieren.

Der neue Leiter bestand die Prüfung und darf jetzt auch die Bezeichnung Facharzt für Allgemeinmedizin tragen. Im Vergleich zur Arbeit in einem Krankenhaus schätzt der 40-Jährige das „Mehr an Flexibilität“, das starke Team aus ärztlichen Kollegen und erfahrenen Mitarbeiterinnen. Sie ergänzen sich gegenseitig auf den Gebieten Diabetes, Naturheilkunde, Herz- und Kreislauferkrankungen. „Ich habe das Herz so oft in der Hand gehabt“, plaudert Ay aus dem Klinik-Alltag, „aber sechs Augen sehen mehr“.

Sie tauschen sich auch über unbekannte Krankheitsbilder aus und können so „die Qualität der Versorgung steigern“. Daneben liege ihm der Kontakt zu Patienten in Pflege- und Seniorenheimen. Der Hausarzt unterstreicht den nahtlosen Übergang, Therapien laufen weiter, die Patienten können sich weiterhin den Arzt ihres Vertrauens aussuchen.

Warum Medizin? „Meine Mutter hatte zu meiner Schulzeit gesundheitliche Probleme“, erzählt er. Dazu sei er vom Elternhaus und kulturell „für einen angesehenen Beruf geprägt, auf Leistung getrimmt“. Ohne ein starkes Interesse an den Naturwissenschaften und einen starken Willen sei ein solches Studium aber nicht möglich.

1989 ist der Opa vor seinen Augen an plötzlichem Herztod verstorben, „vielleicht hat mich das im Unterbewusstsein geprägt“, überlegt der Praxisleiter. Tatsächlich wollte er schon immer helfen, sei schon früh ein „sozialer Mensch“ gewesen, sagt er.

„Die Ursachen der meisten Todesfälle liegen im Herz-Kreislauf-System“, sagt er. Durch die Pandemie und die Furcht vor Arbeitsplatzverlust gebe es immer mehr psychische Probleme, durch ungesunde Ernährung, täglichen Stress und erhöhten Blutdruck immer mehr Schlaganfälle, Herzinfarkte und Gefäßerkrankungen wie Diabetes.

„Du musst das jetzt meistern, damit du nicht mit 70 oder 80 auf dem OP-Tisch landest“, mahnt der Experte Vorsorgeuntersuchungen an.

„Die Seele hält viel aus, wenn zwischen Karriere, Ich und sozialen Kontakten deine Welt im Gleichgewicht bleibt“, informiert Mahmut Ay. „Sonst ist das wie der Eiffelturm auf drei Beinen – du kippst um.“ Sein Rezept dagegen ist die Musik. Der Hausarzt singt Weltmusik in der Band „Naturale Sounds“. Man kann ihn und seine Freunde für Geburtstage, Hochzeiten und Feiern buchen.

Früher hat er auch noch Volleyball gespielt, jetzt konzentriert er sich aufs Radfahren und achtet auf eine gesunde Lebensweise. „Du musst ein Beispiel für die Patienten und selber fit, also glaubwürdig sein.“

VON MICHAEL PROCHNOW