„Zum weißen Rössl am Bieberbach“ feiert gelungene Premieren Von bewusst unsympathisch bis durchaus liebenswert

Dietzenbach (liz) – Mit einem leisen Seufzen ergießt sich der Bieberbach in den Wollwiesenteich, auf dessen unruhiger Oberfläche das Sonnenlicht tanzt. Im Tal zwischen Ebertsberg und Wingertsberg könnte das Gasthaus „Zum weißen Rössl“ idyllischer kaum gelegen sein. Während Reisende sich in die Schönheit der Natur verlieben, ist der Zahlkellner Leopold seiner Chefin und Herrin des Hauses, Josepha Vogelhuber, verfallen – zunächst unglücklich und aussichtslos.

Die Handlung des Singspiels „Im Weißen Rössl am Wolfgangsee“ hat Reiner Wagner nun im Dietzenbacher Hochgebirge angesiedelt. Doch da am Wollwiesenteich selbst kein Gasthaus steht, bringt das Ensemble die Liebesgeschichte(n) auf die Bühne des Theaters Schöne Aussichten (Thesa) Am Harmonieplatz.. Aufbereitet mit einer guten Portion Lokalkolorit und musikalisch begleitet von den „Original Palmdudlern“ zieht das Stück das Publikum schnell in seinen Bann.

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Die bekannten Melodien reißen Kenner des Originalstücks mit und laden zum Schunkeln ein. Doch Vorsicht beim Mitsingen: Denn auch sprachlich ist das Singspiel an die Kreisstadt angepasst. Das oberösterreichische Salzkammergut wird zum Wollwiesenteich und der Wolfgangsee zum Bieberbach. Das Idyll im Herzen des Rhein-Main-Gebietes, Saint Bad Dietzenbach, sucht der Berliner Fabrikant und Dauernörgler Wilhelm Giesecke (Reinhard Brandtner) mit seiner Tochter Ottilie, gespielt von Brandtners Ehefrau Martina, auf. Trotz jeglicher Bemühung seitens der forschen Wirtin Josepha (Birgit Reuter) im Weißen Rössl kann sich der Berliner nicht für den Urlaub am Wollwiesenteich begeistern. Als dann noch der Anwalt seines verhassten Kontrahenten im selben Hotel nächtigen will, ist dem Trikotagenhersteller die Laune vollends vergangen. Und die bessert sich nicht, als der Sprössling seines Feindes im Rössl auftaucht.

Während Josepha schon seit Längerem mit dem Juristen und Stammgast Dr. Siedler liebäugelt, wächst der Groll bei Leopold, gespielt von Wagner. Schließlich verbündet sich der Zahlkellner mit dem Industriellen und die verzwickte Geschichte in Dietzenbach zu Kaiserzeiten nimmt ihren Lauf. Die „Kalbsaugen“ Leopolds verraten der Chefin seine Gefühle und er gerät in Rage, als sie sich dem Anwalt nähert, bis es sich schließlich „ausgeleopoldelt“ hat.

Zwischen Rechtsstreit, „Hintertreppengeschichten“ und hoheitlichem Besuch bleibt kein Auge trocken. Das Wiederholen charaktertypischer Sprüche zieht sich durch die zweieinhalbstündige Veranstaltung und macht den Humor des Stückes aus. Von bewusst unsympathisch bis durchaus liebenswert bietet die Riege der Rollen eigentlich alles. „Die Besetzung passt super, das ist wirklich authentisch“, findet Besucher Tim Ruscher. Das Originalstück kannte der 23-Jährige bisher nicht. „Aber diese Inszenierung bleibt im Kopf“, fügt er hinzu. „Es ist eine Riesenleistung, dieses große Stück auf eine Kleinkunstbühne zu bringen“, sagt Zuschauer Gerhard Müller. „Auch die Musik ist fabelhaft umgesetzt, im Original sind das ja deutlich mehr Leute“, fügt der 78-Jährige anerkennend hinzu. Etwa 20 Menschen sind auf der Bühne, an den Instrumenten und hinter den Kulissen an dem Singspiel beteiligt.

Weitere Aufführungen finden im Thesa am Harmonieplatz am 10., 11., 17., 18., 24. und 25. Mai sowie am 1., 14. und 15. Juni jeweils ab 20 Uhr. Karten gibt es im Vorverkauf bei Schreibwaren Müller, Bahnhofstraße 22, und auf thesa.de.