Künstlerin Heidi Böttcher-Polack gibt Einblicke in ihr Lebenswerk Paradiese aus einer anderen Zeit

Geprägt von ihren Erfahrungen und Reisen im Mittelmeerraum und Afrika sind die Arbeiten der Diplom-Grafikerin und Illustratorin. Bild: gries

Dietzenbach – „Arkadien“ nannte Dichterfürst Goethe klassisch schöne italienische und griechische Landschaft – in einer Zeit, in der viele deutsche Maler, Zeichner und Dichter in den Süden aufbrachen, um ihr Kunst-Paradies zu finden. Nicht ganz so idyllisch waren die südlichen Erfahrungen der Dietzenbacher Künstlerin Heidi Böttcher-Polack. Aber viele ihrer vom Mittelmeer und Afrika inspirierten Zeichnungen, Drucke und Pastelle wirken jetzt im Historischen Museum Dietzenbach wie aus der Zeit gefallene Paradiese.

Danach sah es gar nicht aus, als die 1937 in Leipzig geborene Tochter eines Komponisten und einer Berufsmusikerin Mitte der 1950er Jahre in Frankfurt Modegrafik studierte und als Modezeichnerin in der Werbung arbeitete. Dann zog sie für sieben Jahre nach Südafrika ins keineswegs paradiesische Johannesburg. 1975 besuchte sie dort Bill Ainslie´s Art Center-Malklasse gemeinsam mit Farbigen – mitten in der Apartheid – und arbeitete dort als (Werbe-)Grafikerin und Illustratorin. Zurück in Deutschland bildete sie sich in Frankfurt und Salzburg weiter in Radierung und Lithografie, wurde 1983 Dozentin für grafische Gestaltung in Frankfurt. Sie hielt weiter an Reisen in den Süden fest, in den mittleren Atlas von Marokko, zur Nil-Oase, in die Savanne, nach Pompeji und in andere Sehnsuchtsgegenden. Dazu fand sie ein Stück Arkadien auch im Teufelsmoor bei Worpswede. Aus diesem Fundus schöpft sie, parallel zu aktuellen Eingebungen, auch in der Ausstellung „Ein Zusammenspiel“ mit Arbeiten auf Papier und Leinwand 1979 – 2023.

Es ist eine illustre Schau mit großartig gezeichneten, gedruckten, skizzierten und übermalten Bildern und Collagen voller Impressionen: das gemeinsame Warten auf den Bus, Macht und Ohnmacht afrikanischer Mensch-Figuren, die Schönheit afrikanischer Landschaft samt um Ur-Bäume versammelte Gläubigen. Die malerische Wirkung der Tore von Rabat oder der Stadtmauer von Meknes setzen sich fort im Mix aus Strichen, Schriftzeichen und mythologischen Figuren zu Grabkammern des ägyptischen Tales der Könige. Was die Künstlerin mit dem weiten Blick in Afrika gerochen, getrunken und gegessen hat, bringt sie in eher abstrakten Mixed-Media-Arbeiten synästhetisch herüber.

Dass sie von ihren Eltern deren Musikalität mitbekommen hat, sieht man nicht nur an fast dadaistischen grafischen Partituren und Kürzeln zu Schostakowitschs 2. Cellokonzert. Mit Dynamik und Feingefühl führt sie die Betrachter durch Parallelwelten oder durch „Ruinen des Lebens“. „Wo ist es?“, fragt eine Radierung auf Japan-Papier, „Nach Arkadien?“ eine andere. Modernes gibt es auch bei einer Farb-Form-Kombination wie „Rot – Verweht“ zu sehen, bei der Zeichnung „Ausgebreitete Ganzheitssehnsucht“ und in von ihr gravierten und geätzten Druckplatten, die in Vitrinen ganz eigene Kunstwerke darstellen. Welch großartige Künstlerin hier im Dietzenbacher Wohnblock wohnt.

– Heidi Böttcher-Polack 1979-2023“, bis 24. März im Historischen Museum, Darmstädter Straße. Geöffnet So. 15-18 Uhr, Mo.-Fr. 10-17 Uhr nach Voranmeldung unter z 06074-41742.

Von Reinhold Gries

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