Kabarett-Duo „Die Sprechblasen“ gastierte im Capitol Dietzenbach Vom täglichen politischen Wahnsinn

Das Kabarett-Duo „Die Sprechblasen“ gastierte unlängst mit seinem neuen Programm „Grenz-Wertigkeiten“ im Aktionstheater im Capitol Dietzenbach. Foto: Wittekopf

Dietzenbach (bw) – Bissiger geht es kaum! Das Kabarett-Duo „Die Sprechblasen“ gastierte unlängst mit seinem neuen Programm „Grenz-Wertigkeiten“ im Aktionstheater im Capitol Dietzenbach.

Seit 2009 bieten die aus Idstein stammende Marion Diefenbach und der Dietzenbacher Heinz Lewandowski politisch bissiges Programm der höchsten Güte und überschreiten immer wieder bewusst moralische Grenzen. Dabei überzeugen die beiden Amateure durch brillant vorgetragene Dialoge auf hohem sprachlichem Niveau.

So karikieren sie in ihrem zweistündigen Programm scharfzüngig die anfänglichen Konflikte zweier Koalitionspartner nach der Wahl, persiflieren die schleichende Gleichgültigkeit gegenüber dem Wähler und das Ausmerzen von Reformwillen. Während die neu in die Regierung gewählte Partei nach der Wahl alles verändern will und sich in der Pflicht sieht, Wahlversprechen zu erfüllen, möchte die alte, wiedergewählte Partei alles gelassen angehen. „Veränderung macht absolut keinen Sinn und wir müssen dem Wähler nach dem anstrengen Wahlkampf erst mal eine Pause gönnen.“ Außerdem habe der Wähler seine Stimme ja bereits „abgegeben“ und hat nun praktisch nichts mehr zu sagen. Um Wahlversprechen wie die „Abschaffung der kalten Steuerprogression“ brauche man sich auch nicht mehr zu kümmern: Wichtig sei nur, dass der Wähler fest daran glaube, dass es irgendwann einmal kommt. Das funktioniere mit den Mitgliedern in der Kirche ja auch perfekt, denn da glauben alle fest daran, dass sie irgendwann ins Paradies kommen.

Um die Streitigkeiten in der Koalition schließlich beizulegen, wird der Kriegsrat immer wieder einberufen, einzigartig gespielt durch Indianerhäuptling „Schwarze Null“ und seiner Schwester.

Letztlich passt sich die neugewählte Partei dem Denken der Wiedergewählten an: Koalitionsverträge ersetzen Weitblick, Pragmatismus ersetzt Visionen, alles bleibt beim Alten, wichtig ist sowie nur, wie man seine Politik dem Wähler verkauft.

Natürlich wird auch die große Koalition karikiert: „Wir stecken fest zwischen Rauten und Flauten.“ Besonders bissig kritisieren sie Horst Seehofer als einen in seiner Entwicklung zurückgebliebenen Doppelagenten der Rechtspopulisten, der die Wähler in Scharen nach rechts treibe.

Grenzwertig weltpolitisch wird es beim Thema Waffenexport, denn der sichere immerhin Arbeitsplätze im eigenen Land und sei nicht wirklich daran schuld, dass Unschuldige getötet werden.

Außerdem erledigten sich so letztlich viele Asylanträge. Einwanderung sei sowie grundsätzlich abzulehnen, außer in die deutsche Bundesliga: „Wenn du genug Tore schießt, kannst du aussehen wie du willst.“

Bitter ernst wird es jedoch, als Lewandowski seine Gedanken über die aktuellen Vorgänge in Italien mit dem Publikum teilt. Die dort aufkeimende Ausländerfeindlichkeit vergleicht er schockierend einleuchtend mit dem Anfang der Nazizeit und der Judenvertreibung.

Das Publikum erlebt zwei Stunden tiefreichende, brillante Realsatire in denen das Duo den täglichen politischen Wahnsinn in all seiner Ironie und Skurrilität bewusst überzeichnet, frei nach dem Motto: „Die Realität ist oft das beste Kabarett und nicht immer zum Lachen