Professor Christian Kolbe schildert Situation von Südosteuropäern Unsichtbar im System

Zugewanderte aus Südosteuropa scheuen sich meist davor, sich bei offiziellen Stellen, wie etwa der Pro Arbeit, Hilfe zu holen.

Dietzenbach – Der European Pact for Integration (EPI) soll Ansätze finden, beim Thema Migration aus den Behelfsmustern rauszukommen und stattdessen Strategien zur Integration systematisch zu verbessern. In einem ersten Schritt wurden dazu nun Informationen aus sieben europäischen Städten zusammengetragen: Cartagena, Cluj, Dietzenbach, Linköping, Ravenna und Riga. Im Mittelpunkt der Untersuchung in der Kreisstadt stand eine Bedarfsanalyse für Menschen aus Südosteuropa. Erhoben hat sie ein Team der University of Applied Sciences in Frankfurt, vorgestellt wurde sie im Sozialausschuss von Professor Christian Kolbe.

„Wir haben festgestellt, dass wir zunehmend einen Zuzug aus Osteuropa haben“, teilte Peter Amrein, Fachbereichsleiter Soziale Dienste, im Ausschuss mit. Derzeit seien es etwa 2 000 Menschen in Dietzenbach. Bei vielen Betroffenen bestehe ein großer Wunsch nach Integration und es sei notwendig, „mal anders hinzusehen“. Dabei gehe es nicht in erster Linie um eventuelle Schwierigkeiten, betonte der Fachbereichsleiter. „Die Zuwanderer sind auch eine Chance für die Stadtgesellschaft.“

Neben der Auswertung von vielseitigem Material, mehreren Ortsterminen und intensiven Gesprächen mit Akteuren aus der Sozialarbeit, hatten die Macher der Studie ein exploratives Verfahren eingesetzt, das angewandt wird, wenn der Forschungsgegenstand noch wenig untersucht ist. Interviewt wurden insgesamt sieben Beteiligte, sechs Frauen unterschiedlichen Alters in verschiedenen Lebenssituationen und ein 50-jähriger Mann. Da die Frauen über die Situation der kompletten Familien berichteten, sei es nicht von Bedeutung, dass die Männer in den Gesprächen unterrepräsentiert waren, heißt es. Dazu stellten die Forscher Gespräche mit Experten, also Kita-Leiterinnen, Vertretern der Schulsozialarbeit, Dozenten der VHS und Mitarbeitern der ProArbeit.

Dabei zeigte sich schnell ein klares Muster, nach dem sich das Leben im neuen Land für die Menschen, die etwa aus Rumänien oder Bulgarien kommen, ziemlich holprig gestaltet. Zwar werden sie von Pädagogen und Sozialarbeitern meist als ruhig, arbeitsam, fleißig und wenig fordernd beschrieben. Doch ist das angewandte „Leise-Sein“ mehr einem prekären Leben geschuldet und dem damit verbundenen Dasein, geprägt von Angst, Unsicherheit und Schwierigkeiten. Das betreffe vor allem die Themen Ankommen, Arbeit und Wohnen, hob Kolbe bei seinem Vortrag hervor. „Gerade bei Letzterem ist die Situation kompliziert bis unmöglich.“

Wenig klar zeige sich auch die Unterstützungsstruktur, in den meisten Fällen suchen die Betroffenen eher Hilfe in ihrer Umgebung, bei Menschen mit ähnlichem Hintergrund. „Das offizielle Hilfesystem steht nicht systematisch zur Verfügung, wenn, dann eher zufällig“, so der Studienleiter. Entsprechend werden die Zuwanderer von professionellen Helfern oft als unsichtbar im System beschrieben. Die Frage einer zukünftigen Gestaltung miteinander müsse daher lauten: „Wie kann es gelingen, ihnen Gehör zu verschaffen und wie kann Hilfe organisiert werden?“ Dabei sei es sinnvoll, von den „klassischen Wegen“ wegzukommen und eventuell weniger mit Projekten zu arbeiten und mehr kontinuierliche Kontakte und Hilfestellungen anzubieten.

Von Barbara Scholze