Das liegt vordringlich an der Moderation von Timothy Trust und seiner charmanten Begleiterin Diamond. Das Duo – er im feinen Zwirn mit Zylinder, und Diamond in wechselnden Kleidchen, verblüffen ihre Besucher vom ersten Augenblick an. So schnell wie sich Diamond von einem Cocktailkleid ins nächste hüllt, kann sich wohl sonst niemand umziehen. Timothy „zerstückelt“ seine Partnerin im Pappkarton mit grässlich langen Säbeln. Während das Blut die Kiste herunterrinnt, steigt die junge Frau mit einem strahlenden Lächeln unversehrt aus der Kiste. Die unfassbarste Nummer aber ist das Gedankenlesen. Dass Diamond mit verbundenen Augen die Gegenstände errät, die das Publikum hochhält, mag noch irgendwie erklärbar sein, aber als sie die Vornamen von willkürlich ausgewählten Gästen kennt und auch Personalausweisnummern aufsagen kann, bleiben etliche, sehr verblüffte Gesichter im Publikum zurück. Auch ihre Einladung für zwei Dreieicher Herren sorgt für Staunen: Eben noch normal berührbare Stahlringe scheinen plötzlich so heiß zu werden, dass die Männer sie einfach fallen lassen. Auch der Stuhl, auf dem sie Platz nehmen, macht ihnen Feuer unter dem Hintern, sodass sie mit reichlich verwirrtem Gesicht aufspringen. Einer der beiden jungen Männer kann es in der Pause noch immer nicht so recht fassen, was da mit ihm auf der Bühne passiert ist: „Ich bin auf jeden Fall nicht gekauft“, schwört er lächelnd.
Das Neue Theater Höchst präsentiert auch klassische Varieté-Kunst: Lustig und spannend ist der Auftritt vom Kunstrad-Weltmeister Serge Huercio, der rückwärtsfahrend auf seinem Rennrad sitzend, dabei den Lenker und das Vorderrad in irrer Geschwindigkeit um sich selbst rotieren lässt und währenddessen noch ganz entspannt unter seiner Schiebermütze hervor grinst. Das brachte dem sympathischen Franzosen aus Avignon tosenden Jubel in der Burg ein. Jochen Schell war der Jongleur des Varietés. Im ersten Teil der Show verblüffte er mit schwirrenden Kreiseln, die er scheinbar mühelos übereinanderstapelte und letztlich auf der Spitze einer Säbelklinge wirbeln ließ. Im zweiten Teil agierte er so geschickt mit weißen Ringen, dass es so aussah, als schwebten diese vor der historischen Burgmauer. Marta Paley, eine Zigarrenkisten-Ballerina, verband Spitzentanz mit Jonglage und das Trio Beautiful bewies, dass kraftraubende Handstandakrobatik keinesfalls nur die Sache von Musekelprotzen ist. Die Nummer mit den drei Mädels in den glitzernden Bodys sorgte für Staunen und war gleichzeitig was fürs Auge. Die Akrobatik am Vertikaltuch hat sich in Dreieichenhain längst etabliert. Zu schön ist die Kunst an den langen Stoffbändern im Dunkeln, angestrahlt von farbigem Licht vor der Sandsteinmauer. Das Duo Monalaura lieferte eine starke, zugleich zarte und poetische Nummer über den Köpfen des ausverkauften Burggartens ab. Das Varieté unter Sternen ist längst kein Geheimtipp mehr. Es hat sich weit über Dreieich hinaus herumgesprochen, dass diese drei Abende mit dem Neuen Theater Höchst ein Garant für entspannte Unterhaltung und Verblüffung ist. Deswegen freuen sich Festspielleiter Benjamin Halberstadt, sein Team und die Stars vom Neuen Theater Höchst über drei Mal ausverkauftes Haus bis Samstagabend.
