Literaturreise am Heusenstammer Adolf-Reichwein-Gymnasium Die Facetten des Fremdseins

Heusenstamm (ans) – „Fremd ist der Fremde nur in der Fremde“, lautete der Titel einer Literaturreise,, zu der unlängst der Schauspieler und Regisseur Moritz Stoepel anlässlich der Feierlichkeiten zum 50. Geburtstag des Heusenstammer Adolf-Reichwein-Gymnasiums (ARG) eingeladen hatte.

Die Darbietung des auf internationalen Bühnen bekannten Künstlers führte dem Publikum vor Augen, dass es den Menschen nicht gelingt, sich diese Erkenntnis bewusst zu machen.

So erfuhren die Zuschauer, dass Fremdsein zahlreiche Facetten hat. Eine davon ist das Gefühl der ewigen Rastlosigkeit und die ständige Sehnsucht nach einer Heimat. „Ich habe Heimweh nach einem Land, in dem ich niemals war“, zitiert Stoepel aus dem Gedicht „Auf Wolkenbürgschaft“ von Hilde Domin. Die Ablehnung, die Gäste in anderen Ländern erlebten, sei eine weitere schmerzliche Seite des Fremdseins.

Passend hierzu tauchte der mit dem Frankfurter Harlekin-Preis ausgezeichnete Stoepel in die Welt der Lyrikerin Mascha Kaléko ab. In deren Gedicht „Der Eremit“ heißt es etwa: „Sie warfen nach ihm mit Steinen. Er baute sich daraus sein Haus.“

Trotz des ernsten Themas gelang es Stoepel, der zum zweiten Mal am ARG auftat, bisweilen seine Zuhörer zum Lachen zu bringen. Noch öfter entlockte er ihnen freilich ein Raunen. Zum Beispiel dann, wenn er einen gepfefferten Kommentar in Richtung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan abgab .Doch auch während der nachdenklichen Stellen des zweistündigen Programms blieb das Publikum gebannt.

 

So sagte etwa der 20-jährige Timo: „Moritz Stoepel hat eine Stimme und eine Art, die einen einsaugt“. Zur Untermalung der Lyrik ließ der Bühnenkünstler Lieder auf verschiedenen Instrumenten wie etwa der Gitarre oder dem Klavier erklingen und sang dazu auf Französisch, Italienisch oder Englisch.

Darüber hinaus erinnerte der Künstler daran, welche Position die westliche Bevölkerung im Diskurs des Fremdseins einnimmt. So zeigte Stoepel anhand seiner Texte, dass sich die Weißen gegenüber Vertretern dunkler Hautfarbe oft als überlegen ansehen. Beispielsweise mit der vom Künstler vorgetragenen Lebensgeschichte des Uramerikaners Don C. Talayesva, die von Umerziehung durch die Engländer geprägt war.

Mit fast schon emotionalem Ausdruck verdeutlichte Stoepel, dass sich viele europäische Politiker in der Flüchtlingskrise die Position des Zuschauers auserkoren hätten. Den dunklen Bildern setzte der Schauspieler die Aufforderung entgegen, sich zusammenzuschließen und gegen das Missverhältnis anzukämpfen. Diesem Appell folgten die Schüler des Adolf-Reichwein-Gymnasiums bereits. Die 17-jährige Lena berichtete etwa: „An unserer Schule gibt es wenig Probleme mit Ausländern. Für mich ist es egal, aus welchem Land meine Mitschüler kommen.“

Weiterhin hat das Gymnasium Ende vergangenen Jahres den Titel „Schule ohne Rassismus. Schule mit Courage“ verliehen bekommen. „Dies ist keine Ehrung für schon Geleistetes, sondern ein Versprechen, sich dieser Aufgabe anzunehmen“, berichteet Lehrerin und Mitorganisatorin des Abends, Gabriela Kimpel.

Wie bilanzierte der ehemalige Schüler Marko treffend: „Der Begriff des Fremden ist relativ, denn jeder ist mal irgendwo fremd.“