Heimatloser Gedichtsverein entführt Besucher in die Zwanziger Jahre Grau und glanzvoll zugleich

Bei seiner jüngsten Lesung nahm der Heimatlose Gedichtsverein mit Rudolf Fauerbach, Roland Krebs, Claudia Bechthold und Markus Rückert das Publikum mit auf eine literarisch-musikalische Reise in eine Zeit, die grau und glanzvoll zugleich war. Foto: Julia Jäger

Heusenstamm (pju) – Mit der „Moritat von Mackie Messer“, eröffnete Markus Rückert die jüngste Lesung des Heimatlosen Gedichtsvereins im Haus der Stadtgeschichte in der Eckgasse in Heusenstamm.

An diesem Abend sollte das Lied „Einstimmung und Fazit“ sein, erläuterte Rudolf Fauerbach.

Bei ihrer Lesung nahm die Gruppe im Heimat- und Geschichtsverein um Rudolf Fauerbach, Roland Krebs, Claudia Bechthold und Markus Rückert das Publikum mit auf eine literarisch-musikalische Reise in eine Zeit, die grau und glanzvoll zugleich war.

Während zu Beginn der Zwanziger Jahre noch Kriegsschulden und Inflation die Wirklichkeit der Menschen beherrschten, etablierte sich Berlin zwischen 1924 und 1929 als Weltstadt, wo androgyne Frauen mit Bubikopf zu Swingmusik den Charleston tanzten und sich eine breite Künstlerszene entwickelte.

Während der „goldenen Zwanziger“ wollten die Menschen die Narben des Krieges vergessen und ihre neue Freiheit genießen. Gleichzeitig herrschten politisch turbulente Zeiten in der Weimarer Republik, in denen der Wahn einer neuen Nationalbewegung aufkeimte.

„Ähnlich wie heute“, stellte Fauerbach fest und im Verlauf des Abends offenbaren sich erschreckende Parallelen zwischen der heutigen Situation und dem damaligen Zeitgeist. Deutlich wurde das in Erich Kästners „Kennst du das Land, wo die Kanonen blühen“, das Roland Krebs vortru , genau wie im Text „Vom Wohnungsamt“ des Komikers Karl Valentin, den Fauerbach auf bayerisch authentisch rezitierte. Eindringlich interpretierte Claudia Bechthold das Gedicht „Und wo bleibt das Positive, Herr Kästner“, das von den journalistischen Erfahrungen Erich Kästners in den Zwanzigern berichtet. Wenn die Verse: „Ich will nicht schwindeln. Ich werde nicht schwindeln. Die Zeit ist schwarz, ich mach euch nichts weis“ aus dem Mund der OP-Redakteurin erklangen, erschienen sie aktueller denn je.

Der Gruppe gelang es jedoch nicht nur, einen aktuellen Bezug herauszuarbeiten, sondern sie schaffte es vor allem ihr Publikum zu unterhalten und zu amüsieren. Das funktionierte mit „Ich baumle mit de Beene“ des Dichters Klabund, den Markus Rückert berlinernd vortrug, und mit dadaistischen Werken von Joachim Ringelnatz und Kurt Schwitters oder Parodien von Kurt Tucholsky.

Besonders unterhaltsam waren die Texte bekannter Schlager wie „Mein Papagei frisst keine harten Eier“ von Herman Frey oder „Ausgerechnet Bananen!“ von Fritz Löhner, die von Markus Hittel am Klavier musikalisch untermalt wurden und das Publikum schnell einstimmen ließen. Mit seiner Interpretation eines Arrangements des berühmten „Rhapsody in Blue“ von George Gershwin, wagte der Pianist einen musikalischen Sprung in die USA, bevor das nächste Thema mit Kästners „Besagter Lenz ist da“ eingeleitet wurde. Das passte zur Zeit, aber auch zur Situation der Gruppe.

Nach dem Tod des Mitglieds Dieter Eckart blieb einer der Stühle an diesem Abend leer. Auf seinen Wunsch erklang das Gedicht „Sozusagen grundlos vergnügt“ von Mascha Kaléko im gefüllten Saal im Haus der Stadtgeschichte und rundete die perfekte Mischung ab.