Ballett liegt bei jungen Menschen im Trend / Training ab drei Jahren möglich Kein Tanz nur für Gutbetuchte

Mit Spaß bei der Sache: Für Ballett-Trainerin Marianne Wycisk steht die Freude am Tanz im Mittelpunkt ihrer Übungsstunden. Bild: prochnow

Heusenstamm – Sie krabbeln in ihren rosa Röckchen und den passenden Turnschläppchen auf allen vieren übers Parkett. Vor dem verdeckten Wandspiegel springen sie auf, hüpfen im Takt der Musik, kreuzen die Beine und recken die Arme in die Höhe. „Früher war das ganz anders”, weiß Marianne Wycisk noch gut, „viel strenger, disziplinierter”. Heute soll Ballett Spaß machen, sagt die Übungsleiterin des Tanzsportzentrums (TZH). Und dem Dutzend Mädchen der jüngsten Gruppe bereiten die Übungen ganz offensichtlich Freude. Die Obertshausenerin führt mittlerweile drei Gruppen. Ballett ist wieder gefragt und längst kein Treffpunkt mehr für den Nachwuchs der betuchten Bürgerschaft, für die es einst zum guten Ton gehörte, ihre Töchter auf die Spitzen zu stellen. Die Disziplin in den eng gebundenen Schuhen mit festem Vorderteil wird frühestens mit zwölf Jahren trainiert, winkt die Lehrerin ab. Mit den Händen an der unteren Stange des Übungsgeräts halten sich die jungen Damen aber schon einmal kurz auf den Zehen, den Körper aufrecht und den Kopf zur Decke gerichtet. Nichts geändert hat sich auch an der Ausstattung, ein Ballett-Dutt, der mit Postiche-Nadeln fixiert ist, vielleicht noch ein „Oma-Haarnetz”, wie es Mariella nennt.

Mariella ist zehn und die Tochter von Marianne Wycisk. Anfangs musste sie ihre Mutter bei allen Kursen begleiten, konnte nicht allein daheim bleiben. „Jetzt kann ich nicht mehr aufhören”, beschreibt die Schülerin ihre Liebe zum Ballett. Die „heranwachsende Assistentin”, wie die Mama ihre „rechte Hand” lobt, findet viel Freude an der Sportart, „obwohl es manchmal sehr anstrengend ist”. Aber für den Tanz auf der Bühne lohnt sich die Mühe, sagt die Tochter. Obwohl das Tutu-Kleid nicht bequem sei und kratze.

Auch die achtjährige Cristal fiebert den Auftritten entgegen. Mit Mariella hat sie auch schon in die Übungsstunden für Latein- und Standard-Tanz reingeschnuppert. Die elfjährige Antonia findet die Proben „nicht so richtig anstrengend. Ich warte die ganze Woche auf die zwei Tage, an denen ich Ballett habe”.

Marianne Wycisk studierte die Schritte ebenfalls im Königreich. Mit ihrer Familie war sie an den Bodensee gezogen, machte dort Abitur und begann ihre Ausbildung an der Royal Academy of Dance in London. Sie studierte acht Semester, die meiste Zeit am Ballett-Förderzentrum in Nürnberg. Zur Abschlussprüfung in Frankfurt kehrte sie in ihre hessische Heimat zurück. „Eigentlich wollte ich Musical-Gesang lernen”, sagt sie. Schon in der Oberstufe war sie an der Stage School Hamburg eingeschrieben. In München startete Wycisk eine Vorausbildung am Prinzregententheater mit dem Schwerpunkt Musical, entdeckte dann aber im Konservatorium in Frankfurt „ganz nebenbei” den klassischen Gesang.

„Am meisten gebe ich Unterricht im Tanz”, sagt sie, „aber im Singen bin ich besser”. Neben den Fächern Musical mit Schauspiel, Tanz und Gesang konnte sie damals ankreuzen, ob sie auch Pädagogik studieren möchte. „Mein Opa riet mir dazu”, sagt die Inhaberin eines Lehrerdiploms lächelnd. Innerhalb von zwei Jahren führt sie nun Kinder erfolgreich zu den Prüfungen.

Mit Ballett können Mädchen und Jungen ab drei Jahre anfangen, „wenn sie problemlos alleine bleiben können, auch schon mit zwei”. In der jüngsten Gruppe befinden sich zwei Talente dieses Alters. „Ballett führt zu einer besseren Körperhaltung”, wirbt die Leiterin. „Du lernst, dich gerade zu machen, aufzurichten, die Stellung der Füße zu verbessern.” Der Tanz fördere zudem die Musikalität, die Raumwahrnehmung und den Gleichgewichtssinn. Die Mitgliedschaft im TZH kostet für Kinder elf Euro im Monat, spezielle Schuhe 50 Euro.

Von Michael Prochnow