Adolf-Reichwein-Gymnasium feiert deutsch-französischen Tag Märchen in der Moderne

Die Sechstklässler führten das Märchen auf ihre ganz eigene Weise und natürlich in französisch auf. Foto: M

Heusenstamm – Von wegen lebensrettende Küsse, Schwüre zu ewiger Liebe und ein Leben im Luxus eines Königsschlosses.
Der Prinz ist nur an ihrem Schuhwerk interessiert, Schneewittchen selbst geht nur mit einem Typ, wenn der daheim eine Playstation angeschlossen hat. Die Schöne aus der 6f hat auch keine Haarpracht im Farbton Ebenholz, sondern glänzt mit güldenen Locken...

Diesmal hat es wieder geklappt, das Heusenstammer Adolf-Reichwein-Gymnasium konnte in der Leibnizstraße seinen traditionsreichen deutsch-französischen Tag feiern.

Unlängst haben die frankophilen Sechstklässler das Grimmsche Märchen um Schneewittchen und den sieben Zwergen in einer witzig-modernen Fassung auf die Bühne gebracht – und im feinsten Französisch.

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Die Mädchen und Jungen präsentierten die moderne Fassung flüssig und sicher, als hätten sie sich in der Pause und mit Freunden in ihrer Muttersprache unterhalten. Das kommt nicht von ungefähr: Die Elf- bis 13-Jährigen haben mit dem Idiom des Nachbarlands beim Eintritt in Klasse 5 des ARG als erste Fremdsprache begonnen, erläutert ihre Lehrerin Dorit Rebhan.

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So hat sie mit ihren jungen Talenten bereits vor den Weihnachtsferien das Stück ausgewählt, gelesen und bearbeitet. Dabei ist eine ganz eigene, pfiffige Fassung des Märchens entstanden, das die Gruppe gestern in vier Vorstellungen sechs Klassen der jüngsten Gymnasiasten zeigte.

Vor dem Rollenspiel erläuterten sie den Zuschauern noch einige Vokabeln, die im ersten oder zweiten Jahr des Unterrichts normalerweise noch nicht bekannt sind. Doch das bekannte Genre, die bunte Ausstattung von Prinzessin, böser Königin, hübschem Prinz und bemützten Zwergen sowie die klare Übertragung der Dialoge ausschließlich über Mikrofone half dem Publikum, das Stück in der fremden Sprache gut zu verstehen.

Üblicherweise folgte den Aufführungen die Möglichkeit, eine weitere Eigenart der europäischen Nachbarn kennenzulernen, nämlich die kulinarische. Interessierte wurden dabei auch über das Angebot des ARG informiert. Doch dies ist in Zeiten von Omikron nicht umsetzbar.

So gehört zum Spracherwerb auch ein Austausch mit Gleichaltrigen in der Nähe von Paris oder Lyon, teilte die Organisatorin mit. Das sei durch die Pandemie untersagt, doch schon vorher war es schwierig, interessierte Partnerschulen zu gewinnen. In Frankreich spiele der Erwerb weiterer Sprachen keine so große Rolle wie hierzulande, erklärte die Sprecherin. Die deutsche Kultur werde immer weniger gelehrt, zumal die spanische – auch sprachlich – näherstehe.

Dafür durfte am Freitag eine Couteuse vor Jugendlichen fast aller Jahrgangsstufen plaudern. Pädagogin Rebhan hatte bei einer Fortbildung Kontakt zu der Erzählerin geknüpft, und als Solo-Tätige durfte sie in der Mensa auftreten. In sieben Unterrichtsstunden fesselte und bewegte Catherine Bouin ein Dutzend Lerngruppen. Rhetorisch exzellent interpretiert auch sie Märchen, so dass wenig dargebotene der Brüder Grimm vom „Mann in der Bärenhaut“.

Sie vermittelte Lebensweisheiten eines Clochards, eines Obdachlosen, der sich selbst aus seiner Misere befreit hat. Je nach Alter und Fortschritt in der Kenntnis ihrer Sprache verbreitete sie Rätsel, die sie im Dialog mit ihrem jungen Auditorium löste. Mitreißend schilderte Bouin die Entstehung des Eiffelturms nach mehreren Anläufen und der Überwindung verschiedener Hindernisse.

Zum Engagement des Fachbereichs zählt auch eine Französisch-AG für Viertklässler der örtlichen Grundschulen. Auch diese Vorbereitung diene dazu, dass weiterhin eine von sechs fünften Klassen, zwischen 25 und 33 Kindern, mit Französisch ihre Laufbahn am ARG beginne.

VON MICHAEL PROCHNOW