Mühlheimer Buchladen mit Gütesiegel „Lesefreunde Hessen – Anerkannter Lesepartner 2018/19“ ausgezeichnet Ein Treffpunkt für Bibliophile

Über das Gütesiegel des Landes Hessens freuen sich die Buchhändler Thomas Bahl (links) und Alexandra Konieczny, sowie der Eigentümer Wolfgang Stock. Foto: man

Mühlheim (man) – Im Zug, in der B-Bahn oder auch im Restaurant wirkt die Szenerie meist, als sei das Smartphone längst ein menschliches Körperglied, als könne im Gegensatz dazu den Begriff Buch nur noch eine Minderheit mit einem Gegenstand verbinden. Im Mühlheimer Buchladen wirkt die Welt ganz anders. Das Geschäft an der Bahnhofstraße ist nicht nur ein Treffpunkt für Bibliophile, sondern auch ein Zentrum städtischen Lebens. So wundert es nicht, dass das hessische Kultusministerium und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels vor Kurzem den Mühlheimer Buchladen mit dem Gütesiegel „Lesefreunde Hessen – Anerkannter Lesepartner 2018/19“ als einen von 54 hessischen Buchläden auszeichnete. Auch dem gedruckten Wort geneigte Eltern haben ein Problem, wenn es gilt, die Frage zu beantworten, „was lese ich abends vor?“ Dem eigenen Interesse zu folgen, das geht nicht. Romane von Michel Houellebecq oder Kurzgeschichten von Wladimir Kaminer eignen sich kaum, ein achtjähriges Kind zu unterhalten. Es macht deshalb Sinn, sich im Buchlanden etwas empfehlen zu lassen. „Auch in der Kinderliteratur herrscht qualitativ natürlich ein Gefälle“, erklärt Thomas Bahl, der mit Alexandra Konieczny zu denen aus der Mitarbeiterriege um den Inhaber Wolfgang Stock gehört, die sich etwa in Grundschulen bei Lesewettbewerben als Jurymitglieder engagieren. Bahl freut sich, wenn auch Bürgeler und Rumpenheimer nach Mühlheim in den Buchladen kommen, um sich beispielsweise erklären zu lassen, warum es nicht nur den Kindern, sondern auch den Eltern Amüsement bereitet, einen Roman wie „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ des Kinder- und Jugendbuchautoren Andreas Steinhöfel vor dem Schlafen vorzulesen.

Die Klassiker der Kinderbuchliteratur spielen ebenfalls noch eine Rolle. Alexandra Konieczny erklärt, den „Räuber Hotzenplotz“ von Otfried Preußler müsse der Verlag heute jedoch illuster aufbereiten.

Nur Text, das reiche längst nicht mehr aus, um Kinder zu animieren, ein Buch aufzuschlagen. Wolfgang Stock, der den Mühlheimer Buchladen vor fast vierzig Jahren mit damals noch zwei Kompagnons eröffnete, berichtet vom „Tag des Buchs“ am 23. April, als im Laufe des Vormittags insgesamt 517 Schüler erschienen. „Erstaunlicherweise fanden die Kunden den Betrieb gar nicht schlecht“, erinnert sich Stock, der den Buchladen auch als Treffpunkt sieht. Oft beobachte er, wie sich Gespräche über Romane und Autoren entwickelten. Außerdem organisiert Stock Lesungen, nicht nur im Laden selbst, sondern etwa auch unter freien Himmel wie im Kindergarten am Bürgerpark, wo im September die Märchenerzählerin Helga Spahn vom „Kamel in der Wüste“ oder der „Prinzessin auf der Erbse“ erzählte.

Vor Kurzem organisierte der Buchladen die musikalische Lesung der Autorin und NS-Zeitzeugin Esther Bejarano in der Kulturhalle Schanz . Der 94-jährigen Jüdin rettete in Auschwitz das Leben, dass sie im Mädchenorchester des Lagers Akkordeon spielte. Stock spricht von seiner Buchhandlung als „Oase der Ruhe“, wo nicht ständig das Handy klingele. Viele Familien schätzten das. Es reiche für ein Geschäft der Art nicht, einfach die Bestseller auf einen Stapel zu stellen mit dem Gedanken, „so, jetzt kauft mal“. Wichtig sei, eine differenzierte Auswahl zu treffen, die Kunden individuell beraten zu können.

In Deutschland herrscht die Buchpreisbindung. Egal bei welchem Händler jemand ein Buch kauft, der Preis ist überall gleich.

Unter dem Deckmantel des religiösen Credos des freien Marktes arbeiten Lobbyrguppen daran, die Buchpreisbindung aufzuheben. Das führte zum Gegenteil des freien Markts, dem Monopol. „Nicht nur privat geführte Buchhandlungen verschwänden, sondern auch vielen kleine Verlage“, warnt Wolfgang Stock vor einem kulturellen Kahlschlag. Amazon dürfte sich um die Leseförderung Mühlheimer Kinder ganz sicher nicht kümmern.