Rundgang durch die Mühlheimer Fußgängerzone „Hier gibt es viele Geschäfte, die einfach funktionieren“

Vor drei Jahren zog Cornelia Roth mit ihrem Blumengeschäft in den belebten unteren Teil der Bahnhofstraße. Foto: man

Mühlheim (man) – Es spielt keine Rolle, ob es sich um kleine oder große Städte handelt. Spielhallen, Nagelstudios oder Männer-Cafés veröden die architektonisch ohnehin meist trostlosen Fußgängerzonen in den Stadtzentren. Fachgeschäfte können sich gegen die Konkurrenz der Internet-Giganten nicht mehr behaupten, denen es die Gesetzgeber ermöglichen, sich durch Briefkästen in Kleinstaaten fast aller Steuerlast zu entziehen. Auf der unteren Bahnhofstraße herrscht hingegen die Woche über ein lebendiges Bild. In letzter Zeit siedelten sich weitere Geschäfte an, über die sich Kunden und Kollegen freuen. Sie habe den Schritt, von Offenbach nach Mühlheim zu ziehen, keine Sekunde bereut, erklärt Cornelia Roth. Am 16. Oktober 2016 eröffnete Blumen-Roth an der Bahnhofstraße neben Eiscafé Costa. Auch vorher gab dort ein gut laufendes Blumengeschäft. Roth zog um, weil der Eigentümer der Ladenfläche in Offenbach auf die Idee kam, der Floristin die Miete um 50 Prozent zu erhöhen. Roth kündigte. Nach ihr folgte der nächste Friseursaloon in Offenbach. Trotz des Stadtwechsels habe sie etliche Kunden behalten. „Die Mühlheimer sind anders“, zieht Roth den Vergleich zu Offenbach. Dort hätte die Kundschaft auch bei ihr wesentlich stärker übers Internet bestellt: „Hier kommen die Leute viel eher in den Laden, weil sie sehen wollen, was sie kaufen.“ Darunter auch Männer, wenn der Hochzeits- oder ein Geburtstag ansteht, oder geknickte Gatten, die zu Hause um gut Wetter bitten müssen, „man erkennt beim Reinkommen, wer zu welcher Fraktion gehört“.

Cornelia Roth lobt den Gewerbeverein für Aktionen wie die Lichternacht oder das verkaufsoffene Wochenende zum Maimarkt ebenso wie Simone Schalansky, die vor vier Jahren schräg gegenüber „Annelie’s - Tee-Kaffee-Feines-Präsente“ eröffnete. Ähnliche Geschäfte mussten anderswo schon schließen, auch in Offenbach. Schalansky weiß, „zwischen einem Handyladen und einem Versicherungsbüro käme kaum jemand rein“.

Attraktiv wirke die Bahnhofstraße mit einem Spezialitätengeschäft wie Feinkost Konstantinidis bis zum Reisebüro Holiday, Ecke Mozartstraße. Dort endet die verkehrsberuhigte Zone.

Nach wie vor sei der Markt am Donnerstag ein Höhepunkt auf der Bahnhofstraße, auch wenn er bei den Mühlheimern nicht mehr so en vogue wie früher sei, „Berufstätige haben morgens nun mal meistens keine Zeit“. Man müsse sich überlegen, wie der Markt wieder an Strahlkraft gewinnen könne. Anderswo schließen Buchhandlungen. Wolfgang Stock, der Inhaber des Mühlheimer Buchladens, ist davon weit entfernt. Der Mann sieht die Bahnhofstraße ebenfalls in einem guten Licht, „hier gibt es viele Geschäfte, die einfach funktionieren“. Ein Klassiker sei natürlich das Eiscafé Costa. Stock lobt auch die schon genannten Läden. Als weiteren Lichtblick empfindet auch er das Unverpackt-Geschäft „natürlich frei“, das weit mehr Zulauf erfährt, als mancher Skeptiker am Anfang dachte. Buchläden haben es schwer, gegen einen Konzern wie Amazon zu bestehen, der ebenfalls nicht dort seine Steuern bezahlt, wo er die Infrastruktur nutzt und seine Gewinne generiert.

Wolfgang Stock beobachtet ein Umdenken in Teilen der Kundschaft, die zunehmend wieder das Ambiente einer Buchhandlung schätzen, das Gespräch mit den Buchhändlern und deren Lesetipps. „Durch unsere Empfehlungen werden viele Autoren erst bekannt“, weiß der Mann und hofft, dass im freien Laden gegenüber ein Geschäft einzieht, das ebenfalls ein bürgerliches Publikum anzieht.

Stock sieht die Bahnhofstraße vor allem in der Funktion des Kommunikationstreffpunkts. Zu Hause im Netz einzukaufen bedeute schließlich auch, nicht aus dem Haus zu kommen, „der Mensch ist aber ein soziales Wesen“.