Riesen-Regenrückhaltebecken Idyllische Pools unter Offenbachs Erde

Spazieren gehen im Regenrückhaltebecken: Mitarbeiter der Entwässerung im Stadtservice inspizieren ein Bauwerk. Foto: p

Offenbach (red) – Nicht weit entfernt von den Schwimmbecken auf der Rosenhöhe gibt es in Offenbach ein weiteres Becken von ähnlicher Dimension: Etwa 3500 Kubikmeter Fassungsvermögen, 3,50 Meter tief, und auch bei schönstem Wetter meist menschenleer. Sonnen am Beckenrand ist allerdings nicht möglich. Das 30 Meter breite Regenrückhaltebecken liegt wenig idyllisch unter dem asphaltierten Parkplatz in Höhe des AWO Jugendtreffs.

Nur bei Starkregen läuft das riesige unterirdische Bauwerk innerhalb kurzer Zeit voll und verhindert bei den meisten Unwettern, dass auf der gesamten Rosenhöhe bis zur Autobahn das normale Entwässerungssystem überläuft und die Straßen unter Wasser stehen. Entsprechend wird das Betonbecken bei Regen erst geflutet, wenn der normale Kanal das Wasser nicht mehr fassen kann.

Insgesamt liegen im Offenbacher Stadtgebiet fünf solcher Becken aus Stahlbeton und ein Überlaufbecken im Boden, die insgesamt 40.000 Kubikmeter Regenwasser fassen. Sie werden gemeinsam mit dem gesamten Kanalnetz vom Geschäftsfeld Stadtservice der Stadtwerke Unternehmensgruppe betreut. Das größte der Bauwerke, die alle aus den 1970er Jahren stammen, liegt an der Strahlenberger Straße in Höhe der Stadtgrenze zu Frankfurt und fasst alleine 23.000 Kubikmeter Wasser.

Der Ablauf von Regenrückhaltebecken ist kleiner als der Zulauf, dadurch geben sie das Wasser kontrolliert an das Kanalsystem ab. Geht also über der Rosenhöhe ein Wolkenbruch nieder, schießt aus einem Rohr mit etwa 95 Zentimeter Durchmesser auf halber Wandhöhe an einem Beckenende das überschüssige Regenwasser in die große Betonhalle. Ein vergleichsweise unscheinbares Abflussloch mit knapp 35 Zentimetern Durchmesser am Boden der gegenüberliegenden Wand gibt das Wasser dann verlangsamt wieder ab. Dennoch müssen die Bürger damit rechnen, dass statistisch alle drei Jahre ein so heftiger Wolkenbruch niedergeht, dass das Kanalnetz überläuft. Hauseigentümer müssen deshalb ihre Liegenschaft entsprechend gegen einen Wasserrückstau sichern.

„In den USA gibt es gigantische Kanäle mit acht Metern Durchmesser“, tritt Melanie Gessner, neue Leiterin der Entwässerung im Stadtservice, allen wohlmeinenden Ratschlägen entgegen, doch einfach größere Kanalrohre zu verlegen, „aber auch mit solchen Ausmaßen kann ein Entwässerungssystem einen richtigen Gewitterguss nicht mehr fassen.“

Ständig plätschernder Regen, der über mehrere Tage anhält, mag zwar den Bürgern aufs Gemüt schlagen, dem Kanal ist er egal. Das Wasser fließt stetig hinein und läuft wieder ab. Es sind die seltenen, extrem heftigen Gewittergüsse, deren Wassermenge auch ein Regenüberlaufbecken manchmal nicht mehr abmildern kann.

Kanalnetze werden ohnehin in jeder Kommune regelmäßig hydraulisch neu berechnet. Diese Berechnung muss vom Regierungspräsidium genehmigt werden. In diese Berechnung fließt nicht nur ein, wie oft und wie viel es regnet – Regenspenden ist der Fachbegriff dafür –, sondern auch, in welcher Zeit das Wasser niederprasselt. Als Reaktion darauf, dass statistisch in Offenbach insgesamt nicht mehr Regen fällt, aber häufiger Wolkenbrüche über dem Stadtgebiet niedergehen, werden seit 2015 in Offenbach Kanalrohre mit größerem Durchmesser eingebaut.

Zu groß dürfen diese aber auch nicht sein. Sonst besteht das Risiko, dass sie in Zeiten ohne heftige Regenschauer nicht mehr ausreichend durchgespült werden. Entsprechend würden die Inhaltsstoffe, die eigentlich abfließen sollen, als Schlamm liegen bleiben. Dies kann dann auch oben an den Kanalschächten zu Geruchsbelästigungen führen.

In den Regenüberlaufbecken darf ebenfalls nichts liegen bleiben. Laut Eigenkontrollverordnung des Landes Hessen müssen sie wie alle Abwasseranlagen regelmäßig gepflegt, gereinigt und gewartet werden. Nach jedem heftigen Regenguss gehen die Mitarbeiter aus dem Stadtservice deshalb in die leergelaufene Halle hinunter und spülen mit einem Feuerwehrschlauch nach. Die Beleuchtung, die dann die Szene mit den vier Kammern und dicken Betonpfeilern in trübes Licht taucht, ist ebenso wasserdicht wie die Zuleitungen – immerhin kann das Wasser ja bis zur Decke reichen. Die Temperatur in den Becken bleibt dagegen immer weitgehend gleich: Angenehm kühl im Sommer, garantiert frostfrei im Winter und außerdem ohne jeden Fluglärm. Nahezu idyllisch also – bis der nächste Wolkenbruch über Offenbach niedergeht.