Diskussion im Boxclub von Jugendlichen und Rettungskräften über Gewalt und Identität „Es muss klare Regeln geben“

Rettungskräfte und Jugendliche diskutierten im Zelt des Boxclubs.

Offenbach – Die Ausschreitungen zu Silvester waren Anlass für eine Diskussionsrunde im Boxclub, zu der Wolfgang Malik Offenbacher Jugendliche geladen hat. Der ehrenamtliche Stadtrat moderierte die Diskussion gemeinsam mit Hanif Aroji, Referent bei der Bildungsstätte Anne Frank.

„Wir fragen uns, wie solche Taten zustande kommen und wie die Jugendlichen empfinden. Deshalb wollen wir direkt mit ihnen sprechen und nicht über sie“, sagt Malik und ergänzt, dass im Nachklang der Silvesternacht das Empfinden wachse, dass solche Taten hauptsächlich von Jugendlichen mit Migrationshintergrund ausgehen. Dem wolle man nun entgegentreten.

Bereits vor 16 Uhr ist das Zelt des Boxclubs gut gefüllt. Auf dem Podium sitzen Boris Mertens und Pascal Nitsch von der Offenbacher Stadtpolizei, Yens Lee als Vertreter des THW und Andreas Gutjahr von der Offenbacher Berufsfeuerwehr. Hanif Aroji befragt zunächst die Vertreter der Einsatzkräfte, wie sich die Situation in der Offenbacher Silvesternacht dargestellt habe. Gutjahr von der Berufsfeuerwehr gibt an, dass es in Offenbach eher ruhig gewesen sei, was die anderen bestätigen. Er erklärt weiter, dass bei Jugendlichen, die auffallen, alle Bevölkerungsgruppen vertreten seien.

Weitere Fragen sind, ob sich die Einsatzkräfte bei ihrer Arbeit als Vertreter des Staates angenommen fühlen. „Wir sind ein bunt gemischter Haufen, Vorkommnisse kann man an niemandem festmachen“, sagt Lee vom THW. Die Vertreter der Stadtpolizei geben an, dass es unter allen Jugendlichen rebellisches Verhalten gebe. „In der Regel begegnet man uns aber mit Respekt“, beteuert Mertens.

Malik übergibt daraufhin das Wort an die Jugendlichen. „Wie denkt ihr über das Bild in der Öffentlichkeit? Habt ihr ein ungutes Gefühl, wenn ihr die Kollegen von der Stadtpolizei seht?“ Ein junger Mann sagt, es gäbe Fälle, wo sie sich nicht gut behandelt fühlten. „An den Eichen bin ich häufig kontrolliert worden und musste meine Bauchtasche aufmachen – keine Ahnung warum.“ Eine junge Frau erklärt, dass größere Gruppen von Jugendlichen scheinbar willkürlich kontrolliert würden. Daraufhin sagt ein Jugendlicher, dass er auch schon kontrolliert worden sei, aber nicht das Gefühl habe, dass das aufgrund seiner Religionszugehörigkeit geschehen sei. „Die machen einfach ihre Arbeit.“

Mertens erklärt, dass es hauptsächlich anlassbezogene Kontrollen gebe, aufgrund von Bürgerbeschwerden, denen man nachgehen müsse. Nachdem die Diskussion für das Publikum eröffnet ist, meldet sich der langjährige Sozialarbeiter Georg Sawas zu Wort: „Meine Erfahrung aus über 40 Jahren Jugendarbeit ist eigentlich immer die gleiche: Wenn ich den Jugendlichen gezeigt habe, dass ich mich für sie interessiere, dann öffnen sich langsam Kopf und Herz – dann geht man aufeinander zu. Natürlich muss es klare Regeln geben.“

Eine ehemalige JUZ-Mitarbeiterin schildert eine andere Wahrnehmung. Sie habe oft von willkürlichen Kontrollen gehört: „Nur, weil wir dunkle Haare haben.“ Es gebe da schon ein Gefühl der Machtlosigkeit aufseiten der Jugendlichen. Daraufhin möchte ein junger Mann aus dem Publikum von der Stadtpolizei wissen, ob es Weiterbildungsmaßnahmen zu dem Thema gebe und ob man Fälle, bei denen jemand ungerecht oder rassistisch vorgegangen sei, im Team bespreche. Das wird von allen Vertretern bestätigt.

Insgesamt festigt sich während der Diskussion das Bild, dass es keinen Grund gibt, im Zusammenhang mit den Ausschreitungen das Thema Rassismus auf den Tisch zu bringen. Malik und Aroji finden es wichtig, weiter miteinander im Gespräch zu bleiben und überlegen aus der gemeinsamen Diskussion mit Vertretern der Einsatzkräfte und Jugendlichen ein regelmäßiges Format zu machen.

Von Ingrid Walter