Helfer brauchen selbst bald Hilfe

Corona brachte den schwersten Einschnitt in der Geschichte der Seniorenhilfe. Doch auch da riss der Kontakt unter den Mitgliedern nicht ab: Yvonne van Baal, Bärbel Dörsam, Katrin Kirchner und Iza Schefter hatten Tannenzweige liebevoll dekoriert, die Männer aus dem Vorstand brachten sie mit dem Lastenfahrrad unter die Leute. Bild: ziesecke

Die Seniorenhilfe feiert ihr 25-jähriges Bestehen und hat im Jubiläumsjahr einige Sorgen. Ihre Mitglieder sind im Schnitt 79 Jahre alt und finden kaum noch Jungsenioren, bei denen sie ihre nach dem Genossenschaftsprinzip gesammelten Hilfspunkte einlösen können.

Rödermark – Die Sache ist ebenso gut wie einfach. Mitglieder der Seniorenhilfe begleiten in jüngeren Jahren alte Menschen zum Arzt, helfen im Garten oder streichen Wände. Dafür gibt’s Punkte – genau genommen: zwei pro Stunde. Und die lösen sie dann ein, wenn sie selbst Hilfe brauchen. Soweit die Theorie. Die Praxis: Rund 12 000 Stunden Hilfe liegen momentan auf Halde, sagt Birger Flath, der Vorsitzende der Seniorenhilfe. Teils, weil sie noch nicht benötigt wurden; aber auch teils, weil die potenziellen Helfer immer weniger werden. Einer von ihnen müsste sich um neun Mitglieder kümmern, die Unterstützung brauchen. Die Seniorenhilfe ist in ihrem 25. Jahr einerseits stolz über das Erreichte und blickt andererseits mit einigen Sorgen in die Zukunft.

Aus wenigen Gründungsmitgliedern wurden inzwischen knapp 400 Mitglieder. „Einige von ihnen sind seit Beginn dabei, aber leider macht das Altern auch vor uns nicht Halt: Wir stehen vor einer großen Herausforderung“, bringt Birger Flath die Sache auf den Punkt.

Doch Bange machen gilt nicht. Die Seniorenhilfe ist’s von Anfang an gewohnt, Probleme zu meistern. Den sieben Frauen und Männern, die den Verein im März 1998 gegründet hatten, schlug so manches Vorurteil entgegen. Eine ältere Urberacherin, der vor 25 Jahren Hilfe angeboten wurde, lehnte sie ab: „Ich kann mir doch nicht von Ihnen helfen lassen. Dann wissen die Nachbarn doch, dass meine Kinder sich nicht um mich kümmern.“

Unterstützung von außen war damals selten gewünscht und oft auch gar nicht nötig. Rödermark war in weiten Teilen noch dörflicher, als man denkt. Doch auch hier wohnen immer weniger alte Menschen bei ihren Kindern oder Enkeln. Senioren – bei welchem Alter man die Grenze ziehen mag – sind mehr und mehr auf sich selbst angewiesen. Den Laden um die Ecke gibt es nicht mehr, der Hausarzt kann die medizinische Betreuung oft nicht mehr leisten. Die Liste ließe sich fortsetzen...

Die Seniorenhilfe will Gemeinschaft schaffen. Sie tut das mit der genossenschaftlichen Hilfe auf Gegenseitigkeit. Parallel dazu organisiert der Vorstand Ausflüge, Radtouren, Vorträge oder Diskussionsveranstaltungen.

Die Wünsche für das Geburtstagskind formuliert Betty Schöneberger (82) so: „Ich persönlich würde mir wünschen, dass dieser ehrenamtliche Verein mehr gewürdigt wird und dass vor allen Dingen Jüngere mehr Interesse daran finden.“ Ihr Lebensgefährte wird stundenweise von Vorstandsmitglied Heino Fleischhauer betreut.

Von Michael Löw