Biografie von Franziska Augstein vorgestellt Churchill zwischen Sympathie und Distanz

Bernd Greiner und Franziska Augstein stellen die Biografie vor. Bild: jf

Nordend-West (jf) – Als Franziska Augstein gefragt wurde, ob sie eine Biografie über Winston Churchill (1874 bis 1965) schreiben wolle, sagte sie sofort zu. Die Journalistin, die selbst in England studiert und gelebt hat, empfindet Sympathie für die Briten, ohne dabei die Distanz zu verlieren. In der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt präsentierte Augstein ihre Churchill-Biografie nun im Gespräch mit dem Historiker, Politikwissenschaftler und Amerikanisten Bernd Greiner.

„Erste Sätze sind wichtig. Augsteins erster Satz in der Biografie lautet: ‚Winston Churchill war großartig’. Die Autorin beweist dann in einem ,Page Turner’ diesen Anfangssatz. Sie schildert Stärken und Schwächen, Erfolge und das Scheitern des britischen Politikers“, begann Greiner das Gespräch. Er fügte hinzu: „Winston Churchill hatte Selbstbewusstsein im Übermaß.“

Augstein erläuterte zunächst Fakten: Churchill wurde 1874 in Blenheim Palace, Oxfordshire, geboren. „Seine Familie zählte zu den größten des Landes“, erzählte die Autorin. Dieses Umfeld prägte sein Bewusstsein, „zur herrschenden Macht der Welt zu gehören“. Allerdings war sein Vater Randolph der zweitgeborene Sohn und erbte demzufolge keine Ländereien und Titel. So musste Sohn Winston selbst für sein Einkommen sorgen; mit seinen mehr als 40 Büchern und 1000 Zeitungsartikeln verdiente er viel – und er gab viel aus. 1953 erhielt Winston Churchill für seine sechsbändige Geschichte „Der Zweite Weltkrieg“ den Literaturnobelpreis. Er war zweimal Premierminister und gehörte mehr als 60 Jahre dem Parlament (Unterhaus) an, das er als bestes Parlament der Welt schätzte.

„Aber Churchill hat sich auch im Aktenweitwurf geübt und seine Mitarbeiter nicht immer gut behandelt“, setzte Greiner entgegen. „Als Schulkind wurde er bis aufs Blut geprügelt, er war kein guter Schüler, interessierte sich jedoch für Geschichte und Literatur“, sagte Augstein. Eine Anekdote berichtet, dass er als Minister einem Mitarbeiter sagte: „Schaffen Sie das Tier [den Pudel Rufus] hinaus, hier kann nur einer bellen.“

Zweifellos war Winston Churchill eine der schillerndsten Figuren des 20. Jahrhunderts. Er hatte täglich 100 neue Ideen, 96 davon allerdings waren schräg.

Er zeichnete sich durch Pathos, Mut, Opferbereitschaft und Charisma aus. Ihm gelang es, mit seinen Reden das britische Volk aufzurichten in einem schon fast verloren geglaubten Krieg. Seine Visionen von den Vereinten Staaten von Europa haben die Grundlage für die Europäische Union mit geschaffen.

Für die Freiheitsbestrebungen der britischen Kolonien wie Indien hatte er jedoch nichts übrig. Augstein hat den zahlreichen Biografien über den britischen Staatsmann eine weitere hinzugefügt. Der Abend in der Deutschen Nationalbibliothek, an dessen Ende sowohl Augstein als auch Greiner gerne ihre Bücher signierten, machte Lust, sich wieder einmal mit dem vor 150 Jahren geborenen Winston Churchill zu beschäftigen.