Zu Besuch bei dem Leiter der Alten Abteilung im Institut für Stadtgeschichte Zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen

Michael Matthäus präsentiert die Goldene Bulle.

Altstadt (red) – Der schwere Rollladen aus Metall fährt langsam nach oben und gibt drei weinrote Tresore preis. Michael Matthäus öffnet die Panzerschränke im Institut für Stadtgeschichte (ISG) mit einem großen Schlüssel. Hinter den Türen kommen unscheinbare Schachteln und Kartons zum Vorschein. Doch der Eindruck trügt. Die flachen Boxen enthalten die wichtigsten Dokumente der Stadtgeschichte, auch die Goldene Bulle und Messeprivilegien.

Matthäus leitet die Alte Abteilung des ISG. Er achtet darauf, dass diese und andere Dokumente der Stadtgeschichte bis 1868 keinen Schaden nehmen. Von den insgesamt 25 Regalkilometern entfallen etwa vier Kilometer auf seine Abteilung; die Bestände in den Tresoren im Erdgeschoss stellen nur einen kleinen Teil davon dar.

Auch wenn die älteste Urkunde auf das Jahr 882 zurückgeht, ist die städtische Überlieferung lückenhaft. „Etwa ein Drittel der Bestände der Alten Abteilung ist bei den Bombenangriffen 1944 zerstört worden“, erläutert Matthäus. Das damalige Stadtarchiv befand sich am Weckmarkt. Heute lagert ein Teil der Dokumente – 3,5 Regalkilometer – im Tiefmagazin unter der Erde und ist so besser geschützt. Der U-Bahnbau in der Nachbarschaft brachte den damaligen Mitarbeiter und späteren Direktor des Stadtarchivs Wolfgang Klötzer auf die Idee, gleichzeitig die unterirdischen Lageretagen miterrichten zu lassen, die 1970 bezogen wurden.

Matthäus ist als „Quereinsteiger“ zur Stadt gekommen. Denn er verfügt nicht über die klassische Ausbildung zum Archivar. So stand am Anfang ein vierwöchiges Praktikum, welches er als Geschichtsstudent im Stadtarchiv, dem Vorläufer des ISG, absolvierte. Es folgten Werk- und Zeitverträge, bis daraus eine feste Stelle wurde. „Man muss die Arbeit mögen und natürlich hatte ich das Glück, zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle zu sein“, sagt der 1967 geborene Historiker. Aktuell machen die Digitalisierung und Restaurierung der ISG-Bestände einen großen Anteil seiner Arbeit aus. Fördermittel wollen beschafft werden, die Digitalisate müssen entstehen und qualitativ den wissenschaftlichen Ansprüchen entsprechen, die Übereinstimmung der Signaturen von Original und Digitalisat muss überprüft werden. Hinzu kommen zu digitalisierende Findbücher und anderes, ohne das ein wissenschaftlichen Ansprüchen genügendes Archiv nicht auskommt. Das bedeutet viel Kleinarbeit für Matthäus und sein fünfköpfiges Team. Zwei Jahre hat es gedauert, die Protokolle des Rates und Senates der Stadt Frankfurt von 1436 bis 1868 zu digitalisieren. Demnächst sollen die Digitalisate für Internet-User zugänglich gemacht werden.

Ende Juni dieses Jahres konnte das neue Archivinformationssystem Arcynsis online gestellt werden. Fast sechs Jahre hat die Migration der mehr als 700.000 Verzeichnungseinheiten des ISG aus der alten Datenbank nach Arcynsis gedauert. „Mit diesem Zeitaufwand liegen wir ziemlich im Mittelfeld“, erläutert der promovierte Historiker. Es sei übrigens keineswegs so, dass Digitalisierung perspektivisch weniger Arbeit für seine Mitarbeiter und ihn bedeute: „Denn umso mehr Leute leichten Zugang zu Archiven bekommen, umso mehr Beratung fällt für uns an.“ Frankfurt mit seiner Geschichte als europäische Handelsstadt ziehe als Forschungsgegenstand verstärkt die internationale Wissenschaft an, die sich mithilfe des Internets immer enger vernetze.

Relativ neu seien auch Anfragen in Staatsangehörigkeitsfragen. Immer wieder versuchten Interessenten heraus zu finden, ob etwa Vorfahren in Frankfurt gelebt hätten. Auch nimmt das Thema Familiengeschichte einen festen Platz ein. Die Digitalisierung ermögliche leichtere und schnellere Nachforschungen. „Im Prinzip eine gute Entwicklung, denn die Archive öffnen sich so für breitere Bevölkerungsschichten“, sagt Matthäus.