700 Jahre urkundliche Ersterwähnung des Römers Auf den Spuren der Geschichte

Das Rathaus während des Wiederaufbaus 1953.

Altstadt (red) – Im Sommer 1619 überschlugen sich in Böhmen die Ereignisse, sodass es dem Habsburger Ferdinand II. nicht schnell genug gehen konnte, nach Frankfurt zu reisen, um sich dort am 9. September (einstimmig) zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches wählen zu lassen. Denn Ferdinands Krönung im Kaiserdom und die anschließenden Feierlichkeiten im Frankfurter Römer erlaubten es dem frisch ernannten Kaiser, seinen protestantischen Widersacher Friedrich V. zu entmachten, den die Böhmischen Stände zuvor eigenmächtig zum König von Böhmen ernannt hatten. Während Ferdinands Schachzug als finaler Auslöser des Dreißigjährigen Krieges in die Geschichte einging, blieb Friedrich V. nur eine historische Nebenrolle und wegen dessen kurzer Regentschaft der Beiname Winterkönig.

„Diese kurze Episode belegt die Jahrhunderte währende herausragende Rolle Frankfurts und des Römers im paneuropäischen Königspoker um Macht und territorialen Einfluss“, fasst OB Peter Feldmann zusammen. Doch wie kam das Frankfurter Rathaus zu seinem Namen und seiner herausragenden historischen Bedeutung? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, muss man sich vor Augen führen, dass bis ins 14. Jahrhundert Rathaus und Marktplatz nicht am Römer lagen, sondern auf der einstigen Main-Halbinsel, auf der der Kaiserdom St. Bartholomäus thront.

Noch bevor das Gebäude zum Rathaus wurde, wurde „der Römer“ vor 700 Jahren erstmals urkundlich erwähnt. So weist eine Urkunde des Frankfurter Schöffengerichts vom 30. September 1322 den Frankfurter Bürger Wigel Frosch vor 700 Jahren als Besitzer der Häuser Zum Römer und Zum Goldenen Frosch (später Goldener Schwan) aus. Sollte, so steht in der Urkunde, Wigel Frosch sterben, bevor er mit seiner Frau Gisela von Wanebach Nachwuchs zeuge, so falle der Grundbesitz Gisela von Wanebach zu. So kam es schließlich auch.

Wenig später, 1329, gestattete Kaiser Ludwig IV. (der Bayer) der Frankfurter Bürgerschaft, das baufällig gewordene und allmählich für die Verwaltung einer auf 10.000 Einwohner gewachsene Stadt zu klein gewordene Rathaus durch einen Neubau an anderer Stelle zu ersetzen. Da Frankfurt schon seit der Mitte des zwölften Jahrhunderts der bevorzugte und seit der Goldenen Bulle von 1356 auch der reichsrechtlich vorgeschriebene Wahlort der römisch-deutschen Könige war, sollte hierfür eine repräsentative Wahlkirche errichtet werden. Man begann also im 13. Jahrhundert mit dem Umbau der alten karolingischen Bartholomäuskirche in gotischen Formen – es entstand der Kaiserdom. Für das ursprüngliche Rathaus der Stadt Frankfurt war somit kein Platz mehr.

Ein Neubau in direkter Nachbarschaft, dem von wohlhabenden Händlern mit repräsentativen Bauwerken bebauten Römerberg, sollte das Problem lösen. Doch zunächst war mal wieder das Geld knapp, später verhinderten die Folgen des Magdalenenhochwassers von 1342 die Umzugspläne, weshalb erst 1401 Baumaterial an den Römerberg geschafft werden konnte.

Zeitgleich verhandelte die Stadt jedoch mit den Besitzern zweier Gebäude, dem eingangs erwähnten Haus zum Römer, sowie dem Goldenen Schwan. Die Gebrüder Konz und Heinz zum Römer sowie die Witwe Hensel zum Römer verkauften das Ensemble anno 1405 für insgesamt 800 Gulden sowie moderate Leibrenten – sind sie also die wahren Namenspaten des Frankfurter Römers, den der Frankfurter Rat nach erfolgtem Erwerb zum Rathaus um- und ausbauen ließ?

Wie Michael Matthäus, Leiter der Alten Abteilung im Institut für Stadtgeschichte (ISG), erklärt, gibt es mehrere Theorien, wie das Frankfurter Rathaus zu seinem markanten Namen kam: „Am unwahrscheinlichsten scheint es, dass im 14. Jahrhundert noch eine Erinnerung an den Militärposten bestand, den die Römer im zweiten Jahrhundert auf dem Domhügel errichtet haben. Häufig hört man, dass der Hausname von den italienischen Kaufleuten herrühre, die die Frankfurter Messen besuchten.“ Glaubhafter erscheint Matthäus die Erklärung von Johannes Fried: Weil das Haus zum Römer das größte und komfortabelste Steinhaus in Frankfurt war, haben hier wahrscheinlich die deutschen Könige logiert. Deren Titel lautete: König der Römer, da nur diese das recht hatten, in Rom vom Papst zum Kaiser gekrönt zu werden. Seit jeher diente der Römer den Frankfurtern nicht nur als Rathaus, er war Kaufhaus, Königshaus, Gerichtssitz und Verwaltungszentrum in einem. Zu Messezeiten befanden sich im Erdgeschoss die Stände der Goldschmiede und Juweliere. Doch schon kurz nach Bezug der Räumlichkeiten stellte sich heraus, dass auch das neue Rathaus der Vielzahl an Repräsentations- und Verwaltungsaufgaben nicht immer gewachsen war.

Mit dem steten Wachstum der Stadtbevölkerung benötigte auch die Stadtverwaltung mehr Raum. Zwar waren aufwendige Krönungszeremonien und Feierlichkeiten nicht mehr an der Tagesordnung. Auch das Messegeschäft hatte sich mit den Jahren verteilt. Doch die administrativen Aufgaben der Stadtverwaltung zwangen die Hausherren zur Expansion: So wurden 1878 die Häuser Alten-Limpurg und Silberberg erworben – und somit war „der Römer“ geschaffen, wie wir ihn heute kennen. Es hätte auch die Nationalversammlung von 1848/49 nach dem Willen des Senats im Römer tagen sollen. Schnell war aber klar, dass das Gebäude nicht geeignet ist, um den mehr als 600 Abgeordneten genug Platz zu bieten.