Parlamentarischer Abend im Hessischen Landtag Bewusstsein schaffen für seltene Erkrankungen

Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein beim parlamentarischen Abend des Fördervereins für seltene Erkrankungen. Bild: -

Niederrad/Wiesbaden (red) – Wer von einer seltenen Erkrankung betroffen ist, hat oft einen langen Weg hinter sich, bis die Diagnose gesichert und eine Therapie begonnen werden kann. Darunter leiden Betroffene wie Angehörige. Das Gesundheitssystem tut sich schwer, denn dieses ist immer vorrangig mit den großen Patientengruppen, den häufigen Erkrankungen befasst. Um in Politik und Öffentlichkeit die Betroffenen in den Blick zu rücken, hatte der Förderverein für unerkannte und seltene Erkrankungen Hessen (Fuse) zu einem parlamentarischen Abend im Hessischen Landtag eingeladen.

Eine Erkrankung, die fünf oder weniger von 10.000 Menschen betrifft, gilt als seltene Erkrankung. Bei etwa 80 Prozent dieser Erkrankungen ist eine genetische Ursache von Bedeutung. Angesichts der Tatsache, dass derzeit rund 8000 seltene Erkrankungen bekannt sind, ist die Summe der Betroffenen insgesamt hoch. In Deutschland wird sie auf vier bis fünf Millionen Menschen geschätzt. Landtagspräsidentin Astrid Wallmann betont: „Eine Erkrankung an sich ist schon belastend genug, aber wenn es sich bei dieser um eine seltene oder unerkannte handelt, ist die Belastung und Sorge bei den betroffenen Menschen besonders groß. Die Diagnostik und Suche nach einer passenden Behandlungsmethode ist häufig sehr kräftezehrend. Deshalb ist es so wichtig, dass wir den Betroffenen mit ihren Anliegen und Sorgen in unserer Gesellschaft Aufmerksamkeit schenken. Genau das tut der noch junge ‚Förderverein für unerkannte und seltene Erkrankungen in Hessen’. Den engagierten Mitarbeitern möchte ich recht herzlich danken. Ihre Arbeit ist unschätzbar wertvoll, sie vermittelt vielen Patienten Mut und Hoffnung auf Heilung.“ Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein erklärt: „Der Förderverein für unerkannte und seltene Erkrankungen Hessen gibt vielen Menschen eine neue Perspektive auf Hilfe und Heilung. Das gelingt vor allem auch dadurch, dass sich der Verein für die Weiterentwicklung von Lehre, Forschung und Versorgung einsetzt. Außerdem fördert er eine bessere Vernetzung und ein stärkeres Bewusstsein für diese Krankheiten in der Öffentlichkeit. Diese Arbeit ist von unschätzbar hohem Wert, und ich danke den Verantwortlichen ganz herzlich.“

Die Rolle der Universitätsklinika in Hessen im Zusammenhang mit der Versorgung, der Forschung und der Lehre auf dem Gebiet der seltenen Erkrankungen und die damit verbundenen besonderen Herausforderungen wurden in einem zweiteiligen Gastvortrag des Ärztlichen Direktors des Universitätsklinikums Frankfurt, Prof. Jürgen Graf, und des Vorsitzenden der Geschäftsführung, Vorstand/ COO Rhön-Klinikum, Dr. Gunther Weiß, beleuchtet. „Als universitärer Maximalversorger im Rhein-Main-Gebiet sehen wir uns allen Patienten gleichermaßen verpflichtet – egal, ob jemand mit einer weitverbreiteten Volkskrankheit zu uns kommt oder mit unklaren Symptomen“, erklärt Graf. „Mit den vielfältigen Forschungs- und Versorgungsansätzen am Uniklinikum Frankfurt, die sich der Diagnose und Therapie von seltenen Erkrankungen widmen – darunter das Frankfurter Referenzzentrum für seltene Erkrankungen, das Digitalportal Saturn mit dem SE-Atlas – können wir diesen Patienten inzwischen eine viel bessere Betreuung und Perspektive bieten. Diese Ansätze gilt es zum Wohl aller Betroffenen weiter auszubauen und zu intensivieren. Dafür leistet der Förderverein Fuse einen wichtigen Beitrag. Seltene oder bislang noch unbekannte Erkrankungen erforschen, Krankengeschichten unter anderen Blickwinkeln nochmals beleuchten, neue Diagnosen stellen, nachdem Patienten mit unklaren Symptomen schon viele Ärzte konsultiert haben, das ist eine Aufgabe, der sich die Zentren für seltene Erkrankungen mit ihren Kooperationspartnern mit aller Energie und großem Engagement widmen. Denn hier arbeiten alle Fachdisziplinen unter einem Dach, und man kann sich im Team schnell abstimmen, Kollegen konsultieren, hervorragend ausgestattete Labore und umfangreiche Datenbanken nutzen. Prof. Schäfer und sein Zuse-Team Marburg wie auch Prof. Hahn in Gießen machen das nun schon zehn Jahre und konnten schon vielen Menschen helfen. Damit ist die Diagnose und Behandlung solch seltener und unerkannter Erkrankungen mittlerweile ein Markenzeichen des Universitätsklinikums Gießen und Marburg und ich freue mich, dass es für diese Patientengruppe und unser Angebot nun auch einen Förderverein gibt, der uns ideell und finanziell unter die Arme greift.“

„Wir sind sehr froh, dass die Führung unserer Universitätsklinika uns uneingeschränkt unterstützt in dem Bemühen, den Betroffenen Zugang zu den heute verfügbaren diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten zu schaffen“, sagt Prof. Jürgen Schäfer, Leiter des Zentrums für unerkannte und seltenen Erkrankungen (Zuse) in Marburg, und stellvertretender Vorsitzender des einladenden Fördervereins: „Aber es ist noch ein weiter Weg, bis wir all die Versorgungsangebote, die in Hessen aufgebaut wurden, auch gesichert haben, damit diese nicht plötzlich enden, nur weil ein Mitarbeiter die Klinik verlässt.“

Menschen mit einer seltenen Erkrankung sehen sich oft mit vielfältigen Einschränkungen im Alltag und daraus resultierenden erheblichen Belastungen konfrontiert. Im schlimmsten Fall ist nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Lebenserwartung reduziert. Für Betroffene, ebenso wie für Familie, Partner und Freunde ist der Prozess, bis eine Diagnose vorliegt, extrem fordernd – insbesondere dann, wenn angesichts fehlender ärztlicher Expertise das Gefühl entsteht, dass Betroffene und Angehörige mit der seltenen Erkrankung nicht ernst genommen und allein gelassen werden. „Je seltener ein Krankheitsbild ist, umso wichtiger wird Vernetzung, Zusammenarbeit und Austausch. Die eigene Erfahrung reicht nicht aus, und man muss den enormen Schatz der Erfahrungen anderer Kollegen nutzen, deshalb ist es auch nur folgerichtig, dass beide Zentren in Hessen diesen gemeinsamen Förderverein gegründet haben“, sagt Prof. Tof Wagner, Leiter des Frankfurter Referenzzentrums für seltene Erkrankungen (FRZSE) an der Uniklinik Frankfurt und Vorsitzender des Fördervereins. „Es gab in den vergangenen Jahren viele nationale und internationale Entwicklungen in der Forschung und Vernetzungsförderung mit dem Ziel, den Leidensweg der Betroffenen abzukürzen, und wir sind in Hessen gut aufgestellt.“

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