Neuberger Jagdpächter schützen Bambis mit Drohneneinsatz vor dem Mähtod Kitz in Sicht

Wenn die Ricke auf Futtersuche geht, lässt sie ihr Junges im Gras zurück. Oft ist es nur schwer zu finden. Bild: -

Neuberg – Dieses Kitz ist gewitzt – und will einfach nicht gerettet werden. Sobald sich die Helfer nähern, flüchtet es mit langen, federnden Sprüngen und duckt sich dann in einer anderen Ecke der Wiese. Am Ende der Aktion am vergangenen Samstag mussten die Tierretter kein Rehkind vor dem Mähtod bewahren, weil sie nur einen Springinsfeld antrafen. Seit Beginn der Mahd Anfang Mai wurden allerdings schon an die 20 Kitze in Sicherheit gebracht. Im Einsatz ist dabei erstmals eine Drohne.

„Eine gute Sache“, sagt der Neuberger Jagdpächter Michael Lenz. Manuela Senske und Kevin Kargus, die beide einen Begehungsschein – sprich: eine Jagderlaubnis – haben, nicken. Sie gehören zur Suchmannschaft, die sich morgens um acht an der Tiefenbornmühle zur Kitzrettung eingefunden hat. Dort soll eine rund fünf Hektar große Wiese gemäht werden. Zwecks Planung informieren die Landwirte die Jagdpächter mindestens einen Tag zuvor. Am Samstag ist Eile geboten, der Bauer will so schnell wie möglich mit dem Grasschnitt beginnen.

Manche Kitze werden bereits Ende April, Anfang Mai gesetzt. Geht die Ricke auf Futtersuche, lässt sie ihr Kleines im hohen Gras zurück. Oft so gut versteckt, dass man die Halme zur Seite schieben muss, um es zu finden. Die ganz Jungen haben noch keinen Fluchtinstinkt, droht Gefahr, ducken sie sich nur weg und können so elendig totgemäht werden.

„Wir haben die Kitze schon seit eh und je aus dem Feld geholt“, berichtet Lenz. „Allerdings zu Fuß und mit zu wenigen Leuten. Es ist ein Lottospiel, dass man dabei ein Tier findet.“ Auch Aufrufe über die sozialen Medien hätten kaum ein Echo gefunden: Meistens streifte kaum mehr als ein halbes Dutzend Helfer durch hüfthohes Gras und Disteln. Ein schweißtreibender Job.

Der Flugroboter schafft Unabhängigkeit. „Die Jagdgenossen, also die Bauern und die Gemeinde, der der Wald gehört, haben zusammengelegt“, schildert Lenz, „und je die Hälfte der 6500 Euro übernommen. Dafür möchten wir uns auf diesem Weg bedanken.“ Gemeinsam mit dem Hanauer Jagdklub, der ebenfalls zwei Drohnen zur Kitzrettung angeschafft habe, helfe man sich in der Region revierübergreifend.

Bis Ende Juni wird die erste Mahd angesetzt. Jetzt ist die Saison fast vorbei, was bedeutet: Die Kitze sind bereits mobil. Drohnenpilot Lenz hat das brummende Insekt gestartet und himmelwärts auf etwa 60 Meter Höhe geschickt. Per Wärmebildkamera lassen sich die Wärmequellen ausmachen, die auf Lenz’ Display als helle Punkte angezeigt werden. Mit der zweiten Bildkamera vergrößert er die Punkte: „So kann ich gucken, ob’s ein Kitz ist.“

In der Woche zuvor wurden auf diese Weise vier Bambis entdeckt. Heute haben die Helfer mit einem springlebendigen Jungtier, das sich partout nicht vergrämen lassen will, ihre liebe Mühe. Den Helfern wäre es am liebsten, es würde über den Krebsbach in den dahinter liegenden Wald flüchten. Ein Storch beäugt interessiert von seinem Horst auf einem hohen Pfahl in der Wiesenmitte aus, wie Kevin Kargus mehrmals versucht, sich den per Drohne anvisierten Stellen mit einem Umzugskarton zu nähern. Dieser wird mit Grasbüscheln ausgepolstert, dann das Kitz mit Handschuhen hinein gehoben – sonst nimmt es die Ricke bei ihrer Rückkehr nicht mehr an – und abseits im Schatten platziert, bis gemäht ist. Wurde das Tier zurückgesetzt, findet es die Mutter wieder durch dessen Locktöne. Bei dieser Form des aktiven Naturschutzes arbeiten die Jagdpächter mit den Landwirten Hand in Hand. „Das Verhältnis ist super“, betont Neubergs weiterer Jagdpächter und Vater von Michael Lenz, Hubert Lenz, der am Samstagmorgen auch noch dazugestoßen ist. Probleme bereiten manchmal die Bürgerinnen und Bürger, die es gut meinen und schlecht machen, indem sie etwa am Wegrand gefundene Kitze retten wollen und anfassen. „Am besten bei uns melden und uns das Jungwild überlassen“, rät Kargus.

Gar nicht gut zu sprechen sind die Jäger auf die Gassigeher, die ihre Vierbeiner in der aktuellen Brut- und Setzzeit an der langen Leine oder frei laufen lassen. Als die Kitzretter zum zweiten Einsatzort im Gebiet „Schwarzhaupt“ wechseln, wo noch eine abschüssige Wiese am Waldsaum abgesucht werden muss, sind viele Neuberger an diesem sonnigen Morgen mit Hunden unterwegs. Fast alle sind angeleint, doch laut den Jägern gibt es immer wieder uneinsichtige Zeitgenossen – und damit gerissene Rehe. Michael Lenz zeigt ein Handyfoto, darauf ein übel zugerichtetes Tier. Handelt es sich dabei um eine Ricke, besteht die Gefahr, dass zudem noch irgendwo ein Kitz verhungert.

Bislang gibt es in der Gemeinde Neuberg nur eine Leinenempfehlung. „Das möchten wir für kommendes Jahr gerne als Pflicht durchsetzen“, kündigen die Jagdpächter an.

Von Sabine Müller

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