22 Stolpersteine in Hammersbach verlegt Ein wichtiges Zeichen

Bürger aller Generationen verfolgen, wie Bauhofmitarbeiter Markus Heinsch die Steine vor verschiedenen Häusern in Hammersbach verlegte. Bild: christine fauerbach

Hammersbach – „Hier leben, lieben, streiten sich…“ verkündet ein Schild an einem schmucken Fachwerkhaus in Marköbel. Auch an anderen Häusern teilen die Bewohner Passanten mit: „Hier wohnt Familie…“. Schöne Gesten, mit denen die Familien sich in die Gemeinschaft einbringen. In einigen Häusern lebten bis Mitte/Ende der 1930er Jahren 22 jüdische Mitbürger. An sie und ihr Schicksal erinnert die Gemeinde nun mit Stolpersteinen vor ihren einstigen Wohnhäusern. Die Verlegung fand kürzlich statt.

Dazu eingeladen hatte der Verein für Kultur und Heimatgeschichte. Dessen Vorsitzender Christoph Neizert begrüßte am Martin-Luther-Platz vor dem Zeitstrahl Bürgermeister Michael Göllner und zahlreiche Bürger.

„Wenn wir heute in Hammersbach Stolpersteine verlegen, haben wir – zusammen mit den 32 Steinen, die wir in den letzten Jahren schon gesetzt haben – für alle uns bekannten ehemaligen jüdischen Mitbürger, die 1933 in Hammersbach gelebt haben, eine materielle Erinnerung geschaffen. Das ist nicht viel, aber ein wichtiges Zeichen“, sagte Neizert. Mit den Steinen werde an fast 500 Jahre jüdisches Leben in Marköbel und Langenbergheim sowie an die erschütternden Schicksale von alteingesessenen Hammersbacher Familien erinnert. „Durch brutale Gewalt wurde die jüdische Gemeinde hier am Ort komplett ausgelöscht. Wir wissen nur sehr wenig über das Leben dieser Familien“, bedauerte Neizert. Er zog Parallelen zu aktuellen Konflikten, finde es erschütternd, dass viele Menschen nicht bereit zu sein scheinen, das autonome Existenzrecht eines jüdischen Staats anzuerkennen. Dafür seien neben Rassismus, Hass, Dummheit und fehlender Bildung vor allem politische Verblendung verantwortlich. Umso mehr freute er sich, dass sich die Marköbeler Konfirmanden künftig an der Reinigung der Messingsteine beteiligen wollen.

Der Weg der Teilnehmer führte vom Martin-Luther-Platz in die nahe gelegene Hauptstraße. Hier wohnten einst in den Häusern Nummer 12, 14 und 16 drei jüdische Familien. In Nummer zwölf lebte, liebte und stritt sich Familie Strauss. Viehhändler Leopold Strauss (1873 – 1944) wohnte hier mit seinen Kindern Ida (1902 – 1944), Blanka (1908 – 1945), Julius (Jg. 1903) und Max (Jg. 1906). Das Mobiliar der Familie wurde in der Reichskristallnacht zerstört, der Vater und Tochter Ida zogen zu Blanka nach Friedberg.

Leopold Strauss wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert und dort zwei Jahre später ermordet, seine Tochter Ida im KZ Theresienstadt 1944 und Blanka 1945 in Treblinka umgebracht. Den Söhnen Julius und Max gelang bereits 1936 die Flucht in die USA. Im Haus Nummer 14 lebten Manufakturwarenhändler Max (1875 – 1944 KZ Theresienstadt) und Berta Fuld (1876 – 1944 KZ Theresienstadt) mit ihrem Sohn Sally (Jg. 1902), dessen Frau Rosel (Jg. 1903) und Tochter Lore (Jg. 1939). Sally Fuld, genannt Sol, gelang nach zweijähriger Schutzhaft und Zwangsarbeit in Buchenwald mit seiner Familie 1939 die Flucht in die USA.

Ende der 1950er Jahre schilderte er, wie das Haus und Geschäft in der Reichskristallnacht von einer Nazi-Bande komplett zerstört und geplündert, die Waren gestohlen wurden.

Im Haus Hauptstraße 16 lebten Seligmann Katz (1874), Ehefrau Gerty Katz (1880) und Samy Katz (1908), die alle drei 1941 nach Minsk deportiert und ermordet wurden. Die Teilnehmer der Verlegung beobachteten schweigend, wie Bauhofmitarbeiter Markus Heinsch die Stolpersteine verlegte und was ihnen Neizert über die Familien und ihr Schicksal berichtete.

Von der Hauptstraße ging es in die Nordstraße 14. Auf diesem Grundstück stand im hinteren Bereich die Synagoge. Sie wurde am 9.11.1938 geplündert und einen Tag später abgerissen. „An dieser Stelle wohnten Gottfried (1900) und Melitta (1898) Appel, die beide 1941 nach Minsk deportiert und ermordet wurden, mit ihrem Sohn Max Erwin (1927), im Hause des Schwiegervaters Abraham Löbenstein, für den wir 2017 einen Stolperstein gesetzt haben. Das Ehepaar konnte 1939 seinen zwölfjährigen Sohn mit einem Kindertransport über die Schweiz nach Palästina retten.“

Neizert berichtete, dass auch Max Erwin Appel bemerkenswerte Erfahrungen mit den Behörden machte. „Da es keinen Beleg dafür gab, wann die Eltern ermordet wurden, nahmen die Behörden an, dass die Ermordung am Tag der Deportation erfolgte. Entsprechend lächerlich gering war die Entschädigung.“ Weitere Steine wurden in der Hauptstraße 27 für Familie Katz, in der Hauptstraße 30 für Bettchen Lichtenstein und Familie in der Ringstraße 19 für Abraham (1871 – 23.3. 1944 im KZ Theresienstadt ermordet) und Rosa Löbenstein (1869 – 19.7.1936 Marköbel) verlegt. Das Schicksal von Julius Katz und Nanny Katz (beide Jg. 1883) ist ungeklärt, Sohn Hugo Katz (1914) gelang die Flucht nach Kanada.
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