Volker Jung hält Vortrag in der Obertshausener Waldkirche Kirchenpräsident hätte gern mit Luther diskutiert

Kirchenpräsident Volker Jung sagte, dass es Gottes Gnade ohne Leistung gebe, der Glaube sei ein Geschenk. Foto: Prochnow

Obertshausen (m) – „Auch die Entscheidung für Gott können wir nicht selbst machen, es ist, was Gott in mich hineinlegt.“ Dr. Volker Jung ist kein Lehrer, sondern Präsident der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau. Aber er ist ein guter Erklärer, das bestätigten seine Zuhörer in der Waldkirche nach seinem Vortrag mit viel Applaus. „Glaube ist ein Geschenk, Gnade gibt’s ohne eine Leistung“, stimmte der Gast mit Martin Luther überein.

Der Reformator habe den „Gnadenzuspruch“ Gottes hervorgehoben und Wert auf die Taufe kleiner Kinder gelegt, weil die nicht selbst entscheiden können. Der prominente Redner erlaubte dazu Einblicke in seine Kindheit. „Repräsentanten im öffentlichen Leben sind immer auch Privatpersonen“, begründete Thomas Meyer-Haugwitz vom Vorstand der evangelischen Gemeinde, „und im kirchlichen Leben lassen sich beide Seiten oft nicht trennen“.

Dr. Jung beglückwünschte die Obertshausener zu ihren neuen Räumen, „das ist bemerkenswert, sie haben da ganz viel geleistet“. Das spreche für eine lebendige Gemeinde. Der Ehemann und Vater stammt aus dem Vogelsberg. Er wuchs in einem Haushalt mit Metzgerei und Gaststätte auf, hat in Bielefeld, Heidelberg und Göttingen studiert, am letzten Ort auch promoviert. Sein Vikariat absolvierte er in Alsfeld, in seiner Zeit in Lauterbach war er Dekan, hat sich dort schon stark in der Gesamtkirche engagiert. Seit 2009 sitzt Jung im Rat der Evangelischen Kirche Deutschlands, EKD.

Erinnerungen

Volker Jung selbst war schon im Religionsunterricht, Kindergottesdienst und Konfirmationskurs vom Reformator berührt. Er stellte sich den Moment vor, als neben dem Jura-Studenten Luther auf dem Weg zur Uni der Blitz einschlug. Erfüllt von Todesangst entschloss er sich, Mönch zu werden – gegen den Willen seines Vaters. Jungs Vater wollte, dass er den gerade erweiterten elterlichen Betrieb übernimmt. Die Mutter aber zeigte Verständnis: „Wenn das nicht deine Überzeugung ist, dann geh’ deinen Weg“, sagte sie.

Berührungspunkte zu Martin Luther fand Jung zur Genüge, weil er in der Jugendgruppe seiner „sehr frommen Gemeinde“ mitwirkte. „Neben dem Schönen an Gedanken, in der Kirche zu arbeiten, hatte ich auch das Gefühl, du genügst dem noch nicht“. Im Gegensatz zu Erasmus von Rotterdam erklärte Martin Luther, „wir sind nicht in der Lage, Gottes Willen zu erfüllen. Als Menschen sind wir zutiefst egoistisch, tun alles, um vor anderen gut dazustehen, auch vor Gott.“ Es werde also nie gelingen, „das Heil selbst zu erwirken: Nicht wir machen uns gerecht, wir sind von Gott beschenkt und begnadet, mit unseren Fehlern getragen und angenommen“. Der Gast zeichnete den Reformator aber auch als polemisch, „er hat ausgeteilt, den Papst als Anti-Christ beschimpft, Juden und Muslime kritisiert. „Darüber würde ich mit Luther reden wollen“, sagte Jung.