Deutsche Spitzengilde präsentiert Ausstellung im Museum Kunstwerke aus Binche in Obertshausen

Helene Blanchart aus der belgischen Kleinstadt Binche stellte bei der Ausstellungseröffnung im Karl-Mayer-Haus die Besonderheiten der Spitze vor und ging auch auf die Zukunft dieser Tradition ein. Foto: pro

Obertshausen (pro) – Der Klöppel-Stöckelschuh ist der Star der Ausstellung. Selbst der dünne Absatz aus einer Glasröhre kommt nicht ohne die textile Kunst aus: In seinem Inneren ringelt sich ein geklöppelter Streifen. Zum Tragen nicht empfohlen, zum Staunen verführend. Die jüngste Schau der Deutschen Spitzengilde im Obertshausener Heimatmuseum dokumentiert den Übergang von der klassischen Klöppeltechnik im belgischen Binche zur Zukunft der Tradition.

Halsschmuck, Schleifen, rote Blüten, runde Muster auf Handtaschen und geschwungene Dekorationsartikel scheinen sich im Scheinwerferlich der Vitrinen zu räkeln, Schwan, Pfau, ein Tanzpaar und ein Drachen sind erkennbar, während die klassische Abteilung Deckchen mit Schneeflocken aus Leinen- und Netzschlag präsentiert. Selbst in der Hochburg des Spitzen-Handwerks schwindet das Interesse am Fertigen von textilen Kunstwerken. Helene Blanchart, Lehrerin am L’Institut Superieur „Plus Oultre“ in der südbelgischen Kleinstadt, hat die alte Technik um neue Ideen bereichert. Die zeigt sie jetzt auf Einladung von Gudrun Borck von der Spitzengilde im Karl-Mayer-Haus.

Binche ist die Karnevalshochburg bei den europäischen Nachbarn. Die fünfte Jahreszeit feiern sie mit Geistervertreiben wie im badischen Raum. Die Vereinten Nationen erhoben die Bräuche des Städtchens zum Weltkulturerbe. Auf die Klöppelmotive hat die Narretei nur einen indirekten Einfluss. Doch die Kreationen der Pädagogin Blanchart und ihrer Schüler verbreiten eine verspielte Leichtigkeit. Im Jahr 1738, so erfahren die Besucher der Vernissage, wirken 13 Klöpplerinnen in Binche, unterstützt von 134 Arbeiterinnen. 1856 waren bereits 1800 Frauen beschäftigt, was der Kommune einen gewissen Wohlstand brachte. Binche war bekannt für extrem feine Klöppelspitzen. Sehr dünne Fäden wurden mit sehr vielen Klöppeln verarbeitet.

Handarbeit aus gesponnenem Wollfaden

Anfangs benutzten die Handarbeiterinnen einen hauchfein gesponnenen Wollfaden, der jedoch leicht riss. Ganze Familien hingen am seidenen Faden: Der Großvater schnitzte die hölzernen Halter, die Kinder wickelten die Fäden drauf, die Großmutter fertigte einfache Muster und die Eltern produzierten die hohe Kunst des Klöppelns. Die war selbst in der Hauptstadt Brüssel gefragt. „Jede Stadt hat ihre eigenen Dessins, Muster und Techniken“, erläuterte Helene Blanchart. Doch die Klöpplerinnen waren zu Hause tätig, hatten keinen Arbeitsschutz und einen schlechten Lohn. Bald wanderten sie ins Schuhmacher- und Konfektionsgewerbe ab. Immer wieder haben sich Bürgermeister und Gemeinderat für den Erhalt der Tradition eingesetzt. 1979 entstand ein Ausbildungsgang, er lehrt auch die Technik „Duchesse“, bei der einzelne Motive durch Flechter verbunden werden. Beim „Auftragen nach Brüsseler Art“ werden die Bilder auf eine Art Tüllgrund genäht.

Besichtigung bis 26. März möglich

Blanchart unterrichtet in der Ecole de Dentelle Kinder ab neun Jahren im Wahlfach Klöppeln und führt ein Atelier. Ihre Bilder und Installationen wecken neues Interesse an der Kunst, ist sich der Gast sicher. Heute wird die Spitze mit geschnittenen Fäden und extrem feinem Garn geklöppelt. Interessierte können sich an den Sonntagen, 22. Januar, 12. und 26. Februar und März von 14 bis 17 Uhr ein Bild davon machen, lädt Melitta Matthes, die Vorsitzende des Heimat- und Geschichtsvereins, zum Besuch ein.