Klaus Schmidt führt durch die Altstadt Immer in Steinheim den klappernden Holzschuhen nach

Steinheimer Historie wird bei den Altstadtführungen mit Klaus Schmidt auch immer mal wieder von einem Ständchen begleitet. Den musikalischen Rundgang mit anschließendem Schoppen gibt´s ab sofort immer sonntags. Foto: kama

Steinheim (kama) – Das Klacken seiner Holzschuhe auf dem Kopfsteinpflaster ist schon von Weitem zu hören. Begleitet wird das Geräusch durch sein Lachen und die ersten, gezupften Klänge auf der Gitarre.

Am Treffpunkt an der Tauschbibliothek-Zelle auf dem Steinheimer Kardinal-Volk-Platz begrüßt der Altstadtbarde Klaus Schmidt seine Gäste zur wöchentlichen Altstadtführung. „Täuscht euch nicht, meine Weichholzschuhe sind überraschend bequem. Wir werden viel laufen, denn Steinheim hat viel zu bieten“, sagt Schmidt.

Zunächst erklärt er, dass Steinheim auf einer Basaltkuppel, einem Ergussgestein aus der Lava des bereits erloschenen Vogelbergvulkans, liegt. In der Jungsteinzeit siedelten Kelten in der Region an und machten Steinheim zu einem Handwerker- und Fischerdorf.

Handelspunkt

Um 1200 wurde auf dem Höhenrücken südlich des heutigen Klein-Steinheim mit dem Bau einer Burg begonnen. Knapp ein Jahrhundert später kamen die ersten jüdischen Familien nach Steinheim, und die Ortschaft entwickelte sich zu einem wichtigen Handelspunkt der Region.

König Ludwig IV. verlieh Steinheim zeitgleich die Stadtrechte und machte es zum Hauptort des gleichnamigen Amtes Steinheim. Zwischen den Jahren 1320 und 1325 wurde durch die Bürger eine Stadtmauer erbaut, die teilweise noch heute erhalten ist.

„Die Steine hierfür wurden unten am Steinbruch an der heutigen Villa Stokkum gebrochen und über die unbefestigten Pfade zum Stadtzentrum gebracht. Unser heutiger Kirchturm diente als Wehrturm im Zwingerbereich der Mauer“, erklärt Schmidt und läuft dabei die Markierungen im Kopfsteinpflaster des Kardinal-Volk-Platzes ab, um den ehemaligen Verlauf der Stadtmauer und des Obertores, dem Hauptzugang zur Stadt, zu zeigen.

Erstes „Hochhaus“

1427 wurde das erste Pfarrhaus in Steinheim gebaut. Schmidt, der das alte Pfarrhaus bewohnt, erklärt hierzu: „Ich nenne es das erste Hochhaus in Steinheim, denn es hat sieben Geschosse. Insgesamt gibt es drei Kellergewölbe, ein Repräsentationsgeschoss, also Parterre, ein Wohngeschoss und zwei Spitzböden. Das Ganze wurde als Rauchhaus gebaut, es hatte eine offene Feuerstelle im Keller und der im Treppenhaus aufsteigende Rauch wärmte das gesamte Gebäude.“

Der durch kleine Windaugen im Giebel abziehende Rauch konservierte das Gebälk und schützte es vor Schädlingsbefall, trocknete das auf dem Dachboden gelagerte Getreide und räucherte gleichzeitig Würste und Schinken.

„Auch wenn es viele Vorteile hatte, war die schlechte Luftqualität in dem Haus logischerweise den Bewohnern nicht wirklich zuträglich und so schaute man sich nach neuen Baumethoden um“, sagt Schmidt und verweist dabei auf das Hauptgebäude des Wenkschen Hofes. „Um 1490 erbaut, war es das erste Steingiebelhaus Steinheims. Neben der Burg, den Befestigungsanlagen sowie der Stadtmauer war es das einzige aus Stein gebaute Haus. Das konnte sich natürlich nicht jeder leisten. Die Phrase ‘steinreich sein’ hat in diesem Zusammenhang vermutlich ihren Ursprung“, sagt Schmidt.

Weiter geht´s, vorbei am 1413 erbauten Fischer- und Schifferzunfthaus in der Häfnergasse und am Hofbräuhaus, in dem der Zuchtstier und Zuchteber der Stadt standen, zum Dilgesturm: Der Wehrturm stand nicht wie die anderen Türme im Zwingerbereich der Stadtmauer, sondern direkt in der Stadt. So ist der Turm zur Stadtseite hin offen, damit man dem Angreifer im Falle einer feindlichen Eroberung des Turmes nicht ausgesetzt war und ihn besser ausschalten konnte. „Auf diese Weise konnte sich der Feind in dem Turm nicht verschanzen und das Dorf angreifen. Für die damalige Zeit ist das äußerst raffiniert“, sagt Schmidt.

Dreißigjähriger Krieg

An der Zehntscheune, wo die Abgaben und Erträge aus dem gesamten Amt Steinheim eingelagert wurden, erwähnt Schmidt den Raub der Franzosen während des Dreißigjährigen Krieges im Jahr 1646: „Mit ihrem Abzug nahmen die Franzosen hier knapp 300 Tonnen Getreide und 280 Hektoliter Wein mit.“ Dem Wein nachtrauernd, präsentiert der Musiker sein Lied „Bring mer noch en Äppelwoi“.

Weiter geht es durch die Stadtmauer an das Maintor, durch das die Bürger in den am Main liegenden Zollbereich der Stadt gelangten. „In Steinheim mussten die Schiffe, die von Würzburg nach Frankfurt fuhren, verzollt werden. Durch den Verkauf und Handel direkt vom Schiff aus konnten Steinheimer auch an Waren gelangen, die nicht unbedingt aus ihrer Region kamen“, sagt Schmidt und stimmt ein weiteres Lied über Steinheim, die einzig wahre Perle am Main, an.

Erhängt, ertränkt

An der Gerichtslinde am heutigen Druckhaus erklärt Schmidt, dass in Steinheim ein Hochgericht tagte, das auch auf Kapitalverbrechen die Todesstrafe verhängen konnte: „So wurden viele Sünder und Kriminelle erhängt, ertränkt oder erschlagen. Enthauptungen gab es hier in der Region eigentlich sehr wenige.“ Im Dürerhaus, das gegenüber dem heutigen Luginsland liegt, hat der berühmte Maler Albrecht Dürer auf seiner Durchreise nach Frankfurt im April 1520 einmal übernachtet.

Die letzte Station der neunzigminütigen Führung ist der Platz des Friedens, auf dem bis zum großen Brand von 1761 das ehemalige Steinheimer Rathaus stand.

Nach der Führung leitet Schmidt die Gruppe in die Schankwirtschaft „MaaÄppelsche“, wo ein Gratisgetränk wartet. „1751 wurde der erste Äppelwoi in Steinheim gewerblich ausgeschenkt. Diese Tradition sollten wir nun wahren und fortsetzen“, sagt Klaus Schmidt mit einem breiten Grinsen und nimmt einen großen Schluck des „Steinheimer Goldes“.

Wechselnde Führungen durch Teile der Altstadt bietet Schmidt jeden Sonntag um 16.30 Uhr an. Die Teilnahme kostet neun Euro. Anmeldungen über die E-Mail-Adresse info[at]MaaAeppelsche[dot]de.