Bis 31. Juli „Vaterland“-Ausstellung in der „Alten Synagoge“ Rodgau

Der Davidstern ist ein sechseckiger Stern, der aus zwei spiegelverkehrten und versetzt übereinander geschobenen Dreiecken konstruiert ist. Dekonstruiert in diesem Fall bedeutet, dass man diese geometrische Form wieder auflöst und ihre Bestandteile zerlegt, rein technisch also wieder in Dreiecke. Foto: p

Rodgau (red) – Eine deutsche Künstlerin aus Paris verwandelt die alte Synagoge in Weiskirchen in ein gutbürgerliches Wohnzimmer aus den dreißiger Jahren. „Vaterland“ ist eine künstlerische Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit. Der Heimatverein in Dudenhofen hat Katrin Jakobsen eingeladen, ihre Installation in der ehemaligen Synagoge zu zeigen, Bürgermeister Jürgen Hoffmann und der neue Kulturdezernent Winno Sahm eröffneten die Ausstellung.

Für Sahm ist dies die erste Kunstausstellung seit Amtsantritt. In seiner Rede begrüßte er die Initiative des Heimatvereins Dudenhofen, die alte Synagoge als Ausstellungsort für ein Thema wie „Vaterland“ gewählt zu haben mit der Hoffnung, dass die Synagoge in Zukunft mehr für Veranstaltungen genutzt wird. „Diese mutige Ausstellung ermöglicht die gerade heute so wichtige Auseinandersetzung mit der Geschichte als Ganzes“, erklärte Bürgermeister Hoffmann. „Hier wird über ein kleines Schicksal hinausgegangen, groß gemacht und dann wieder runter projiziert auf das eigene Leben“.

Die Installation „Das Wohnzimmer“ täuscht Gemütlichkeit vor: das Biedermeier-Sofa, die Bilder an den Wänden, der handgestickte Haussegen, Nippes-Figürchen, der Duft von Bohnerwachs, alles wirkt zunächst harmlos. Erst beim näheren Hinsehen entdeckt man die dunklen Zeichen des dritten Reichs, die sich in der Einrichtung verstecken. So kommt zum Beispiel die Schlagermusik aus den 30ern aus einem Volksempfänger.

Katrin Jakobsen hat den Raum in der Mitte geteilt, in das „Wir“ und die „Anderen“, wie sie es nennt. Für die Tapete auf der einen Seite hat sie ein Muster aus den Streifen der Gefangenen-Kleidung in den KZs und einem dekonstruierten Davidstern entworfen, auf der anderen ahnt man ein zerlegtes Hakenkreuz. Der Auslöser für die Arbeit war ein winziges Kriegstagebuch, das nach dem Tod des Vaters plötzlich auftauchte.

Die scheinbar Guten waren die Bösen

„Mein Vater wurde 1926 geboren und ist dadurch im Nazi-Deutschland aufgewachsen. Er war mit Sicherheit ein begeisterter Hitler-Junge. Erst bei Kriegsende wurde ihm klar, dass er nicht, wie ihm immer eingeredet wurde, zu den Guten gehörte, sondern zu den Bösen. Er hat aber nie über die Zeit geredet. Und ehrlich gesagt habe ich wohl auch nicht gefragt, wir hatten ein eher schlechtes Verhältnis“, bekennt Jakobsen.

Im Raum schwebt die Skulptur „Vaterlandschaft“. Sie stellt Vater Karlheinz als Zehnjährigen dar, bedeckt von einem Leichentuch das die Künstlerin selbst aus seinen Schlipsen genäht hat. Der Vater ist allgegenwärtig. So auch in der Serie falscher Propaganda-Poster, die auf den ersten Blick wie richtige Nazipropaganda aussehen.

Auch heute wird manipuliert und nachgeplappert

„Ich möchte zeigen, dass auch wir uns heute immer noch manipulieren lassen und fragwürdige Informationen einfach nachplappern ohne sie zu hinterfragen“, sagt Jakobsen und gibt zu, dass auch sie oft viel zu leichtgläubig ist. Die Ausstellung ruft bei vielen Besucher starke Gefühle hervor, denn in fast jeder deutschen Familie gibt es eine unausgesprochene Geschichte aus der Nazizeit. Da die damalige Generation es generell vorzog über die Vergangenheit zu schweigen und nun auch bald die letzten Zeitzeugen nicht mehr da sein werden, ist es höchste Zeit, sich damit auseinanderzusetzen.

„Dass ich „Vaterland“ in der ehemaligen Synagoge zeigen darf, ist eine wunderbare Möglichkeit mich noch einmal dem Grauen des dritten Reichs zu stellen. Ich habe mich immer geschämt Deutsche zu sein, obwohl ich erst 1958 geboren bin. Aber durch diese Arbeit, ich nenne sie auch eine „Autopsie der Erinnerung“, habe ich Frieden geschlossen. Nicht nur mit meinem Vater, sondern auch mit der deutschen Geschichte.“

Die Ausstellung Vaterland läuft bis zum 31. Juli und ist zu sehen in der „Alten Synagoge“ in Rodgau-Weiskirchen, Hauptstraße 57, Donnerstag und Freitag von 14 bis 17 Uhr sowie Samstag und Sonntag von 12 bis17 Uhr.