Museum Angewandte Kunst: 100 Jahre neue Typografie und neue Grafik in Frankfurt Futura, Adler und Pixeljongleure

Kurator Klaus Klemp vor dem von Hans Leistikow ab 1926 entwickelten neuen Adler für die Stadt Frankfurt. Foto: Faure

Sachsenhausen (jf) – „Das Neue Frankfurt“ – dieser Begriff und Titel einer Zeitschrift bezieht sich in erster Linie auf die Architektur der Stadt am Main. Federführend war dabei Ernst May, Stadtbaurat unter Oberbürgermeister Ludwig Landmann. Zwischen 1925 und 1930 entstanden 12 000 neue Wohnungen, die Standards setzten. Eine enorme Leistung. Doch nicht auf dem Gebiet der Architektur wurde Neues entwickelt. Schriftgestaltung und Grafikdesign spielten dabei ebenfalls eine herausragende Rolle.

Gleich vier Kuratoren – Klaus Klemp, Friedrich Friedl, Peter Ziska und Museumsdirektor Matthias Wagner K – arbeiteten an der Ausstellung „Alles neu! 100 Jahre Neue Typografie und Neue Grafik in Frankfurt am Main“ im Haus am Schaumainkai 17.

„Es ist eine weitere Exposition zum Thema ‚Neues Frankfurt’“, unterstrich Wagner K. „Wir haben in Vorbereitung der Schau mal vor der Haustür geguckt, was außer dem Bauhaus nach dem Ersten Weltkrieg noch passierte“, erklärte Klaus Klemp. Die Stadt führte 1923 die Städel’sche Kunstschule und die Städtische Kunstgewerbeschule zusammen, ihr Gründungsdirektor Fritz Wichert stand in Briefkontakt mit Walter Gropius in Weimar und erstrebte „eine eigene ganz bodenständige Verwirklichung des Bauhausgedankens für Südwestdeutschland“. Landmann wollte die politischen Strukturen zugunsten von Wirtschaftsregionen in Deutschland auflösen. „Auch die Typografie arbeitete am tatsächlichen Bedarf“, erklärte Klemp und verwies auf die von Paul Renner entwickelte Schrift Futura, die 1926 Marktreife erlangte und in den 1930er Jahren ihren weltweiten Siegeszug antrat. 1926 kam der Maler, Werbegrafiker und Verkehrsplaner Walter Dexel nach Frankfurt, entwickelte eine sehr rigide Reklame-Ordnung für die Stadt, die allerdings dem Magistrat zu weit ging und nicht angenommen wurde. Dexel verurteilte „die großstädtische Außenreklame“ als „chaotisch, zudringlich und von verwirrender Unübersichtlichkeit“. 400 Objekte aus der 7000 Stücke umfassenden Sammlung von Buchdruckermeister und Schriftsetzer Philipp Albinus, der von 1924 bis 1934 Fachlehrer für Typografie und Werkstattleiter für Schriftsatz an der Städtischen Kunstgewerbeschule war, ab 1924 außerdem Vorsitzender des Bildungsverbandes der Deutschen Buchdrucker, sind in der Ausstellung zu sehen. „Albinus war ein völlig unpolitischer Mensch und höchst empört darüber, dass ihm ‚Kulturbolschewismus’ vorgeworfen wurde – nur weil er ein radikaler Verfechter der Kleinschreibung war“, erläuterte Klemp. Erstmals wurde die Sammlung Albinus wissenschaftlich aufgearbeitet und wird nun auszugsweise öffentlich gezeigt.

Nachvollziehen kann der Besucher auch den Wandel der Begriffe; aus künstlerischem Entwurf wurde Gebrauchsgrafik, Reklame, Propaganda, visuelle Kommunikation und schließlich – heute – Kommunikationsdesign. 1924 kam Hans Leistikow nach Frankfurt, sein neuer Entwurf des Frankfurter Adlers, im Volksmund als „Hüpfspatz“ bezeichnet, wurde sogar bis 1936 verwendet – aus Sparsamkeitsgründen. Denn mit der Machübernahme der Nazis wurde alles, was an neuer Typografie und neuer Grafik entstanden war, wieder zurückgedreht.

Nach 1945 waren es Hans Leistikow, der 1930 in die Sowjetunion ging und nach dem Zweiten Weltkrieg zurückkehrte, und Ferdinand Kramer, die sich als Brückenbauer betätigten und wieder an das „Neue Frankfurt“ anknüpften. „In den 1990er Jahren war Frankfurt eine Melange aus Musik, Geld, Drogen und digitaler Technik“, beschrieb Peter Zizka. Zwölf Positionen von Gegenwartskünstlern ergänzen die Schau, die bis zum 21. August zu sehen ist, – und irritieren ganz bewusst.