KLOSTERKONZERTE Auch originelle Fundstücke präsentiert Oboist verzaubert Publikum

In perfekter Harmonie: Oboist Albrecht Mayer (rotes Jackett) zusammen mit dem Bayerischen Kammerorchester Bad Brückenau. Foto: Hampe

Seligenstadt – Zum Einstieg gleich ein Klassik-Star: Oboist Albrecht Mayer hat für eine glanzvolle Eröffnung des Kultursommers Südhessen bei zwei gut besuchten Auftritten in der St. Marien-Kirche gesorgt.

Er kam als Solist und Dirigent des Bayerischen Kammerorchesters Bad Brückenau, das einmal mehr einer Besonderheit der Klosterkonzerte zuspielte. Denn in Seligenstadt werden nicht nur Perlen des Repertoires feinpoliert, sondern auch originelle Fundstücke präsentiert.

Dazu gehört ein gewisser Simon Le Duc, ein Zeitgenosse Mozarts, der seinerzeit als Komponist und Geiger nicht nur in Paris hohes Ansehen genoss. Seine Sinfonie Nr. 3 Es-Dur, von Mayer und dem in Seligenstadt über Jahre hinweg wohlgelittenen Bayerischen Streichorchester aus dem Archivschlaf erlöst, zeigte einmal mehr jenen zeitgemäßen klanglichen Bodensatz, aus dem sich ein Genie wie Mozart dann erheben konnte. Einprägsame Melodien und jähe Stimmungswechsel, von Dirigent Mayer suggestiv gefordert, signalisieren viel Sturm und Drang. Das Adagio mit seiner nahezu schmerzlichen melodischen Intensität auf dunklem Klanggrund könnte vom Mozart der „Don Giovanni“-Zeit stammen.

Und das Rondo ist pure Musizierlust, originell orchestral ausstaffiert, analog der damals richtungweisende „Mannheimer Schule“ mit ihren instrumentalen Effekten und schnell wechselnden Klangstärken, die auch Mozart geschätzt hat. Ihm setzt Mayer ein neuerliches Denkmal mit der Motette „Exsultate, jubilate“ (Jauchzet, jubelt), ursprünglich für Sopran und Orchester komponiert und von Matthias Spindler für Oboe d’amore bearbeitet, was Sinn macht. Lustwandelt die „Liebes-Oboe“ doch hier im Mezzosopran-Bereich.

Und dass es sich um ein geistliches Loblied auf die Jungfrau Maria handelt, kann man sogar nachempfinden. Denn schon der erst 16-jährige Mozart hat es in schier weltliche Opernnähe gerückt. Große Opernarie signalisiert auch Albrecht Mayers kerniger, ausdruckstarker Ton auf dem Holzblasinstrument. Garniert mit allen Finessen wie federleicht schwebenden Koloraturen und die Solisten-Fantasie beflügelnden Kadenzen. Unterstützt von purem klanglichem Samt des Streichorchesters, bei dem die Mittelstimmen wieder einmal zauberhaft präsent sind.

Auch bei Mozarts „Ave verum corpus“, dem jede Trauerfeier zierenden Engelschor, wiederum für Oboe d’amore eingerichtet, zieht Mayer alle Register seiner Kunst, ein klingendes Gebet, das atemlos macht – gottlob nicht den Solisten, der in seiner Zugabe zum barocken Händel wechselt: „Lascia ch’io pianga (Lass mich beweinen) aus der Oper „Rinaldo“ ist zum Mitheulen schön.

Der Steiermärker Romantiker Robert Fuchs, Lehrer von Komponisten-Koryphäen wie Gustav Mahler und Richard Strauß, hat es den Bad Brückenauer Kammervirtuosen (und jetzt auch dem Seligenstädter Publikum samt Rezensenten) angetan. Seine grundehrliche Bescheidenheit verhinderte offenbar eine Karriere im Rampenlicht. Seine Serenade für Streichorchester und zwei Hörner wird freilich zwischen dramatischem Aufschwung, tänzerischem Charme, süffigem Melos und sattem klanglichem Chroma zur veritablen Sinfonie – und das bayerische Ensemble zum großen Orchester, das Hochspannung schürt.

Auf diesem hohen künstlerischen Level kann’s im Kultursommer Südhessen ruhig weitergehen – auch in Seligenstadt.

VON KLAUS ACKERMANN